Sense
Einzig, mir fehlte das Vertrauen. Und, um ehrlich zu sein, mir fehlte auch ein Fingerzeig, mit dem ich die Ermittlungen in eine andere als meine Richtung hätte lenken können. Ein drückendes Gefühl von Ausgeliefertsein beschlich mich.
Unglaublich, wie vorsichtig diese mörderischen Zähne zupacken können. Wir hatten das einstudiert, der Kurti und ich: Er schnappte sich meinen (lederbejackten) Arm, zog ihn runter zu sich, und wenn er dann noch an einem Stück war, der Arm, gab ich die Leckerchen frei. Sonst nicht.
Ringsum brachten Männer unter Räuspern und Husten ihren kurz ins Stocken geratenen Atem wieder in Fluss. Ich wartete die siebeneinhalb Nanosekunden, bis der Hund seine Zwischenmahlzeit beendet hatte und nahm ihn dann mit auf einen kleinen Spaziergang. Nahe beim Teilelager ist ein kleines, mit Flatterband abgetrenntes Areal, genannt >das Tierheim<, auf dem immer ein paar hoffnungsfrohe, noch nicht zerpflückte Rostlauben darauf warten, von Leuten wie mir in den Straßenverkehr zurückbugsiert zu werden.
Ein Ford Granada stach mir ins Auge, in freundlichem Mattschwarz, mit einem Airspray-Gemälde auf der Haube: bis auf Schwert und Schild nackte Blondine auf einem dicken Gaul in postapokalyptischer, monumentaler Mondlandschaft. Martialische Muskeln. Mächtige Mähnen. Möpse wie Melonen. Ich persönlich hätte dem Tier ja noch einen richtigen, Respekt einflößenden Rammbock von einem Riemen unter den Bauch gemalt, doch auch so stellte es ein Kunstwerk von unzweifelhaft hohem ästhetischem Reiz dar.
Nur war der Ford, wie mir ein Pappschild verriet, leider schon verkauft. Schade.
»Kristof!« Heiner war an meiner Seite aufgetaucht, strahlte über das ganze, in dreißig Ehejahren rundlich gewordene Gesicht und pumpte meinen Arm. »Wie isset? Alles klar? Wat is mit deinem Wagen? Muss ich ihn irgendwo abholen? Womit bisse hier? Brauchsse wat anderes?«
»Gut. Ja. Nichts. Nein. Taxi. Dringend«, antwortete ich.
»Ja? Dann komm mal mit nach vorne, ich hab was für dich aufm Schlepper. Wird dir gefallen.«
Ich bevorzuge, um es gleich zu sagen, viertürige Autos. Das rührt wohl noch ein bisschen von meiner Zeit bei den >Storm-fuckers< her. Motorräder sind schön und gut, wenn man mit zwanzig Mann irgendwo vorfahren und in erster Linie Eindruck schinden möchte. So ein Auftritt macht viel her, doch muss dabei von vornherein klar sein, dass einem die Gegenseite auch die Zeit lässt, um nach dem Leerlauf zu fummeln, den Seitenständer nach vorn zu klappen, den Motor auszumachen und sich von der Sitzbank zu schwingen. Wenn dagegen wirkliche Action gefragt ist, kurz und schmerzhaft, hit and run, geht nichts über das viertürige Auto. Hinzu kommt noch, dass ich eine tief sitzende, unerklärliche, persönliche Schwäche für Japaner hege. 70er-Jahre-Japaner. Das waren die besten.
Und Heiner weiß das alles.
»Da«, sagte er und deutete.
»Wie lange kennst du Frau Sentz schon?«
Ich warf einen Blick auf die Uhr und rechnete nach. »22 Stunden«, sagte ich und konnte es selber kaum glauben. Es war so viel passiert, in dem bisschen Zeit.
»Sicher? Nicht länger? Der Kollege am Telefon hat durchblik-ken lassen, es gäbe Hinweise, dass ihr etwas miteinander hattet.«
»Und mit ihrem Mann auch? Und dann habe ich ihn umgebracht, um mit ihr glücklich zu werden? Hören Sie mal, Hufschmidt (ich hatte es aufgegeben, ihn zu duzen, es machte das ganze fruchtlose Gequatsche nur noch mühsamer), manchmal habe ich das Gefühl, Sie kucken zu viel Seifenopern.«
Menden kam zur Türe herein, den Blick in einen dünnen, hellgrünen Schnellhefter vertieft. »Wir haben ein erstes Gutachten«, sagte er, ohne aufzusehen. »Zeitpunkt des Todes und so. Demnach hatten Sie Zeit genug, das dem Toten entwendete Geld fortzuschaffen und an einem sicheren Ort zu deponieren. Also. Wo ist es?«
Ich dachte daran, sie irgendwohin zu schicken, nur so. Ich dachte daran zu gestehen, nur so. Morgen früh vor dem Haftrichter könnte ich ja widerrufen. Ich war nahe dran, ehrlich, nur für ein bisschen Schlaf. Und dann dachte ich wieder: Das ist genau das, was sie wollen.
»Ich hab gleich an dich gedacht, wie ich den aufgeladen habe.« Heiner hatte meine Reaktion aus dem Augenwinkel beobachtet.
Ich lächelte, sprachlos.
»Du hast doch Spaß an so was.«
Vor mir stand, lässig mit Schleichpanne in nahezu allen vier seiner altersgrauen, niederprofiligen Reifen, Seine Majestät, die Krone ihrer Gattung, die da Automobilus Quattroportus
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