Sense
ich sie im Sack.
»Wenn Sie selber wirklich so scharf darauf sind, dann verraten Sie mir doch bitte schön, warum ich Sie obendrein auch noch dafür bezahlen soll.«
Hossa.
»Weil es Ihnen das Gefühl und mir die nötigen Mittel gibt, aktiv zu werden und nicht einfach nur da zu sitzen und zu hoffen, dass Leute wie Hufschmidt eines fernen Tages über die Lösung stolpern werden. Darum.«
So, jetzt aber.
»Ich erwarte tägliche Berichte«, knurrte sie. Somit war ich engagiert. Verblüffend, wie es manchmal zugeht.
»Und ich erwarte von Ihnen« - ich hatte >reinen Wein eingeschenkt zu bekommen< sagen wollen, doch sie stand schon wieder an ihrem Getränketrolley, und ich fürchtete, missverstanden zu werden - »absolut ehrliche Antworten zu allen meinen Fragen, egal wie persönlich sie sein mögen.« Ich wollte meinen Notizblock und Kuli zücken, doch kam nicht weit. Ich entdeckte beinahe stündlich neue Dinge, die ich mit links allein nicht hinbekam. Hm. Na, würde es eben der gute alte halsgestützte Datenspeicher tun müssen.
»Fangen wir mit einer allgemein gehaltenen Frage an: Wer, von allen, die Ihnen einfallen, könnte Ihrem Mann, sagen wir, den Tod gewünscht haben?«
>Pfopp!<, machte ein Korken, >glulk, glulk, glulk< machten ein flüssiger und ein gasförmiger Stoff auf ihren gegenläufigen Bewegungen durch den engen Flaschenhals.
»Ich«, sagte Ursel Sentz fest.
Als sie sich wieder zu mir umdrehte - Bordeauxglas in der Rechten, gefüllt bis zu einem Pegel, den man nur über weinrotem Teppichboden riskieren sollte -, hatte sie die Sonnenbrille abgenommen. Ihre Augen waren verheult, doch es stand ihr. Es milderte etwas ihre zur Härte neigenden, vor allem von der schmalen, scharfen Nase akzentuierten Züge.
»Er hat mich belogen, er hat mich betrogen, er hat mich hintergangen und mich nach Strich und Faden ausgenutzt. Und ich habe ihn trotzdem geliebt.« Um ihren schmalen, harten Mund zuckte es. »Denn er war so ein charmanter Bastard.«
Ajeh, wohl wahr. Es braucht ein bisschen an Charme, um Kristof Kryszinski von der sofortigen Einforderung einer fünfstelligen Kopfprämie abzulenken.
Es war ihm gar nicht schwer gefallen, mir zu entlocken, woher ich seinen Namen kannte und was ich von ihm wollte und auch nicht, wer mich geschickt hatte.
Egal, hatte ich gedacht, du hast ihn jetzt einmal am Händchen und wer weiß? Vielleicht spielt er ja mit und lässt sich ohne großes Theater von mir nach Hause bringen, denn - irgendwann musste er ja eh wieder heim, oder? Doch nein.
>Pech für dich, aber ich gehe nicht wieder zurück zu dieser Frau.< Seine Worte. Na, auf den Schreck hatte ich erst mal noch 'ne Runde geordert.
»Betrogen?«, fragte ich. »In welchem Sinne?«
»In jedem«, sagte sie und wischte sich das Rotweinpendant zu einem Milchbart von der Oberlippe. »In jedem nur denkbaren Sinne.«
»Und warum haben Sie mir das nicht schon früher erzählt?«
»Tja«, sagte sie und sah mit leicht pendelndem Kopf hoch zur Decke, »tja. Warum kann ich heute, wo er tot ist, plötzlich darüber sprechen? Warum habe ich es vorher nur in mich hineingefressen? Ich weiß es nicht.« Sie trug ihr leeres Glas zu einem kleinen Spültisch in der Ecke des Raumes.
»Ich bin müde«, seufzte sie und meinte betrunken. »Haben Sie noch viele Fragen?«
»Ja«, sagte ich.
»Können Sie damit nicht morgen noch mal kommen?«
»Nein«, sagte ich. Mir blieben vier Tage und der schmale Rest von heute.
Ich fuhr nach Hause, als hätte ich einen zwischen die Hörner gekriegt.
Da waren ein, zwei Dinge, über die ich mich dringend mal mit Bernhard, meinem Wirt, unterhalten musste.
Ich hatte Ursel noch ausgequetscht, so gut es ging. Möglichst unauffällig hatte ich immer wieder nach Gemeinsamkeiten in Vergangenheit und Gegenwart zwischen Sascha und Elvis gefragt. Es war natürlich aufgefallen. »Was wollen Sie immer mit Elvis? Mit dem hatten wir vor Jahren einen kleinen Rechtsstreit. Veronika hat ihn sauber vor die Pumpe laufen lassen, und damit war die Sache beigelegt.«
Schließlich habe ich herauszubekommen versucht, ob der Verblichene eine dauerhafte Geliebte hatte und wenn ja, wie war ihr Name? Sie wusste es nicht. >Ich habe es wohl nicht wissen wollen.< Doch gespürt habe sie es schon, >wie eine Frau so was eben spürt<.
Was mir allerdings den Schweiß auf die Stirn und unter die Achseln trieb, was mir die Augen nicht öffnete, nein, aufriss für eine völlig neue Perspektive, waren ihre Abschiedsworte
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