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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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darauf reagiert?«
    »Er hat gesagt, du sollst das deinem Schutzi erzählen. Doch er war wirklich angepisst. Er zeigt ja nicht viel Gefühl, aber es gibt ein sicheres Zeichen, wenn er an die Grenzen seiner Beherrschung kommt, so ein Zucken unter seinem rechten Auge. Und du hast ihn zum Zucken gebracht wie schon ewig nichts mehr. Ich an deiner Stelle wäre vorsichtiger mit ihm, du hast deinen Kredit schon bis zum Äußersten gedehnt.«
    Hm. Wohl war. Drago hat von Anfang an darauf bestanden, dass die Auswahl der Gäste allein seine Entscheidung ist und Bernhard das zu akzeptieren hat. Scuzzi mit seinem Bauchladen hat er gleich am ersten Abend vor die Tür gesetzt. Wäre vielleicht nicht dumm, wenn ich mich bei ihm entschuldigte. Ihm 'ne Kleinigkeit kaufte. Einen Blumenstrauß etwa. Oder einen Wandkalender mit den California Dreamboys.
    »Und Sascha, wie war der drauf?«
    »Ruhig. Wir haben uns 'ne ganze Weile unterhalten. Er hatte mal 'ne Disco, wusstest du das? Ich habe ihm erzählt, dass ich mit dem Gedanken spiele, den Laden hier zu verkaufen, und er hat Interesse gezeigt. Na, das hat sich ja jetzt erledigt.«
    »Wie, soll das heißen, ich war hackevoll, und Sascha war glasklar? Das kann doch nicht sein! Wir haben uns doch in einem fort zugeprostet.«
    »Na, er hatte schon einen auf, aber er ging des Öfteren mal auf den Pott und machte sich da ein bisschen frisch, nehme ich an.« Bernhard zog einmal kurz die Nase hoch.
    Also das war es gewesen! Während ich mir die Beine unterm Arsch weggeschossen habe, hat Sascha sich schön mit Koka in Form gehalten.
    »Ja, wie«, entfuhr es mir, »und Drago hat ihn gelassen?«
    Drago hat schon Leute mit Bindehautentzündung an der Türe abgewiesen, weil er meinte, sie wären stoned.
    »Er hat ihn nicht beachtet. Und du hast ja auch ganz schön für Ablenkung gesorgt.«
    Wenn man vom Teufel spricht ...
    »Na, so was«, kam es von der Türe her, »er lebt noch! Als ich den Zinksarg sah, dachte ich erst, du lägst da drin. Aber nein. Es war der andere Suffkopp.« Drago warf seine Autoschlüssel auf die Theke und kam herüber, schwarzes, langärmeliges T-Shirt mit außen getragener Armbanduhr wie aufgeschrumpft, schwarze Jeans wie maßgeschneidert, schwarzes Haar glatt nach hinten, schwarzer Schnauzer minutiös getrimmt. »Ehrlich«, sagte er und klapste mir mannhaft auf die Schulter, »du bist für mich der zweite Rasputin: mit einer Vergiftung alleine einfach nicht umzubringen!« Es klang ganz lustig, doch sein Lächeln war dünn, und der Blick seiner tief dunkelbraunen Augen war ohne Wärme. Zum x-ten Male ging mir auf, dass Drago mich im Grunde nicht ausstehen konnte, und das nicht erst seit vorgestern. Andererseits konnte ich mit seinem Humor noch nie viel anfangen, und heute schon gar nicht. Rasputin haben sie, nachdem er das Gift überlebt hatte, mit Knüppeln zu erschlagen versucht, dann niedergeschossen und letzten Endes in einem eisigen Fluss ertränkt.
    »Wundert mich nicht, dass sie dich wieder haben laufen lassen«, fuhr er fort. »Ich hab denen gleich gesagt: Der war viel zu voll, um noch jemanden umzubringen.«
    »Ja«, pflichtete Bernhard ihm bei, »viel zu voll. Das haben wir alle gesagt.«
    Danke, dachte ich, danke. Vielen Dank auch, doch jetzt wollen wir mal langsam das Thema wechseln. Also Ursel Sentz' These schien erst mal keine rechte Grundlage zu haben. Das beruhigte mich ein bisschen. Blieb aber immer noch ein ungeklärter Mord.
    »Ist euch an dem Abend irgendjemand Fremdes aufgefallen, irgendjemand, den ihr vorher noch nie gesehen habt, irgendjemand, der sich in irgendeiner Weise auffällig oder auffällig unauffällig verhalten hat?« Ein fünfzigjähriger Glam-Rocker mit zwei Leibwächtern vom Allgemeinsten vielleicht.
    »Das haben uns die Bullen auch schon gefragt. Aber ich meine nein.« Bernhard schüttelte den lockigen Kopf. »Es war ein ganz normaler Mittwochabend.«
    »Der einzig Auffällige warst du«, musste Drago noch loswerden. Ich schenkte ihm meinen langmütigsten Blick. Bringen wir's hinter uns, dachte ich und räusperte mich.
    »Bernhard hier«, ich deutete mit dem Kinn auf ihn, »hat mich erinnert, dass ich an dem Abend dir gegenüber ein paar Anspielungen und blöde Bemerkungen gemacht habe. Du weißt, wovon ich spreche?« Seine Augen ruhten reglos auf mir. Kein neuerliches Zucken bewegte seine Wange oder sonst einen seiner Züge. »Also, ich wollte sagen, das war nicht so gemeint.« Und ich blickte etwas schuldbewusst drein und hoffte, so

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