Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
dicht vor meinem Gesicht. »Du hast die Leiche gefleddert, seine Knarre und das Geld in deiner Schrottkarre gebunkert und alles zusammen irgendwo versteckt, bevor du uns angerufen hast. Und wir werden den Wagen finden und damit die Knete, und dann werden wir dich an die Wand nageln.«
    Also, wo ist die Carina, hieß es dann, wo das Geld? Wo die Carina, wo das Geld, wo die Carina, wo das Geld, wo die Carina, bis ihnen aufging, dass ich mit dem Einsilber >Weg!< länger bei Stimme bleiben würde. Morgen würden sie mir mit irgendetwas wirklich Wildem, Kompromittierendem daherkommen, dieser Entschluss war ihnen deutlich anzumerken, doch bis morgen ist lang, dachte ich und ging, sobald sie mich ließen.
    Als ich bei Scuzzi ankam, lief ein Film mit Thekla Carola Wied und Klausjürgen Wussow im Fernsehen, und die >Lighthouse Family< schwärte aus den Boxen in all ihrer unfassbar tranigen Seichtigkeit. Ich stand zögernd in der Türe, und als auch noch Witta Pohl auf dem Bildschirm erschien, war ich drauf und dran, im Wagen zu übernachten.
    »Charly hat angerufen«, sagte Scuzzi und wiegte sich selig im quälend schleppenden Zeitlupentakt der Musik, den Blick starr auf den Bildschirm ausgerichtet, mal wieder dicht wie eine Taucheruhr. »Du sollst zurückrufen.«
    Ich saß über einem hastigen Frühstück, hauptsächlich Kaffee und Camel, Scuzzi schnarchte noch, als Bernhard anrief und mir ziemlich atemlos mitteilte, ich solle schnellstmöglich rüber-kommen, in meiner Wohnung sei ein Rohrbruch >oder so was<.
    Na, dachte ich, der Tag fängt ja vielversprechend an.
    »Rohrbruch?«, fragte ich Bernhard und zwei seiner Thekenmädels, die sich abmühten, einen vor Nässe triefenden Hausflur aufzumoppen. Bernhard schüttelte nur den Kopf. Im Hintergrund, in der Kneipe, war die House-Party noch in vollem Gang, und man konnte den Toni Marshall der Techno-Bewegung, den volksverblödenden Sangeskünstler von >Scooter<, seine schwachsinnigen Parolen bölken hören.
    »Waschmaschine ausgelaufen?«
    Bernhard schüttelte nur wieder den Kopf und deutete nach oben, die Treppe hoch.
    »Mach dich auf was gefasst«, meinte er finster.
    Ich stieg die Stufen hoch, und das aus meinem Bauch dringende >Gruiik< übertönte flüchtig sogar die ad infinitum wiederholte und von enormem Jubel und Applaus begleitete Aufforderung, die Hände in die Luft zu halten.
    Der Schlüssel zu wahrem Glück, vermutete schon Erich Maria Remarque, liege wahrscheinlich in strahlender Dummheit.
    Vielleicht sollte ich Scuzzi doch mal um einen Beutel E-Pillen bitten.
    Ich atmete einmal tief durch, machte mich auf was gefasst, stieß meine Wohnungstüre auf und - erstarrte.
    Pest und Hölle. Ganze Arbeit.
    Der Boden schwamm. Und alles, was auf dem Boden lag, schwamm mit ihm. Und alles, was ich besaß, lag auf dem Boden. In Fetzen, in Splittern, in Bruchstücken. Alles.
    Blinder Hass, das war der Eindruck. Alles zu Klump gehauen und dann noch die Abflüsse verstopft und sämtliche Hähne aufgedreht. Und bei dem Wuttatta, das DJ Gaga unten veranstaltete, hatte natürlich niemand etwas gemerkt, bis das Wasser die Treppe heruntergelaufen gekommen ist.
    Vorsichtig, um mir nicht zu allem Überfluss auch noch einen Fuß zu zerschneiden, bahnte ich mir einen Weg durch das Chaos.
    Jetzt war sie hin, die Matratze. Halb aus dem Bett gezerrt und der Länge nach aufgeschlitzt, irreparabel wie alles hier. Darüber an der Wand stand in braunen, krude hingeschmierten Buchstaben: Zahle oder folge S.!
    Das ist nicht wahr, dachte ich.
    Charly hatte mich gestern Abend am Telefon darüber aufgeklärt, dass das Zahlungsziel verkürzt worden sei, doch selbst so hatte ich immer noch bis morgen Abend, bevor er mir eine Kniescheibe zerdeppern sollte.
    Jetzt ist Schluss, dachte ich. Bis hierhin und nicht weiter.
    Zahle oder folge S.!, in braunen Buchstaben, sah beinahe aus wie Blut . Ich zuckte.
    »Katze!!«, schrie ich, »Katze, wo steckst du?!« Doch es rührte sich nichts. Am ganzen Leib zitternd vor Wut und Sorge ging ich zum Bett und schlug die Decke zurück. Und würgte.
    Ich schob den Deckel des Müllcontainers mit dem Ellbogen zurück und feuerte, den Kopf abgewandt, mein Kopfkissen mit dem stinkenden Scheißhaufen drauf, aus dem oben noch der Griff meiner Zahnbürste ragte, hinein und zerrte den Deckel wieder zu. Ich zitterte immer noch unkontrollierbar.
    »Wahnsinn, nicht?«, meinte Bernhard. Ich war kaum in der Lage, darauf einzugehen. Ich war vollkommen in meiner eigenen, wild kochenden

Weitere Kostenlose Bücher