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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Gefühlswelt gefangen.
    Schluss, aus, Sense, dachte ich. Jetzt gehts rund. Das Zittern verebbte, und die große, heiße Kälte kam über mich.
    »Hast du die Katze gesehen?«, rang ich mir ab, doch Bernhard verneinte.
    »Wenn sie auftaucht, kümmere ich mich drum«, sagte er. »Was hast du jetzt vor?«
    Ich sah ihn an, und er machte unwillkürlich einen Schritt zurück, ich habe diesen Blick, wenn ich wirklich schäume.
    »Auge um Auge«, sagte ich.
    Ich brauch eine Wumme, dachte ich und senkte meinen Fuß schwer aufs Gas, ich brauch eine Knarre. Es geht nicht mehr ohne. Hass erzeugt neuen Hass, Gewalt erzeugt Gegengewalt, es stimmt einfach. Man sollte das akzeptieren und gar nicht erst anfangen, mühsam dagegen anzukämpfen. Wenn ich mit dieser Geschichte hier fertig bin, dachte ich, ziehe ich auch nach Hageroth. Wenn ich mit dieser Geschichte fertig bin, kann mir keiner mehr.
    Doch zuerst brauch ich eine Wumme.
    Ich war schon halb auf der Bahn, unterwegs nach Essen, zum Rot-Weiß-Stadion, in dessen Schatten ein ewiger Flohmarkt blüht, auf dem es praktisch alles zu kaufen gibt, angefangen von Handfeuerwaffen, als mich eine Erinnerung erst am Ärmel zupfte und mir dann einen nicht eben sanften Klaps in den Nacken gab. Im letzten Augenblick, kurz vor der Auffahrt, bog ich abrupt ab und hielt an. Lehnte mich rüber und schloss das Handschuhfach auf. Ich hatte eine Wumme.
    >Lass sie hier<, hatte ich zu Sascha gesagt, >lass sie im Wagen. Du kannst nicht in die< Endstation >mit einer Schusswaffe in der Tasche.< Der Abend bei Kottge war in einem Tumult geendet, aus dem wir geflohen waren, noch bevor Hasso Zeit gefunden hatte, seinen Sechsschüsser hervorzukramen. »Drago bricht dir alle Gräten, wenn er das mitkriegt. Und du brauchst da auch keine. Drago hat alles im Griff, glaub mir. Außerdem bin ich ja auch noch da.«
    >Na gut<, hatte er zögernd zugestimmt und sie aus der Tasche gezogen und eine Schachtel Munition aus der anderen. >Wir können sie ja im Handschuhfach einschließen. Doch dann lass uns ein Taxi nehmen, ja? Ich sag's nicht gern, aber ich glaube nicht, dass du noch fit genug bist, um ein Auto zu steuern.<
    »Wie kommst du denn darauf?«, hatte ich erstaunt gefragt.
    >Du versuchst jetzt seit zwei Minuten, diese Laterne hochzu-fahren.<
    Ich wog sie in der Hand. Schweres Ding. Mit jeder Sekunde, die ich sie länger betrachtete, wuchs das Verlangen, damit öffentlich herumzufuchteln, zu prahlen, jemanden zu bedrohen damit. Waffen geben einem das Gefühl von Macht, so wie Opiat einem den Eindruck innerer Behaglichkeit vermittelt und Kokain die Illusion von Brillanz.
    Scheiß drauf, dachte ich, verdrängte alle Bedenken und konzentrierte mich auf die Probleme der Handhabung. Ich würde, wenn, mit links schießen müssen, doch hatte ich ein großes Ziel vor Augen und sah das deswegen ganz gelassen. Fast von allein legten sich meine Finger um den Griff, und ich linste nach der Sicherung. Wie so vieles war sie auf der für Linkshänder falschen Seite angebracht. Wäre mir früher nie aufgefallen, so was. >On< stand da. Hieß das jetzt, dass die Sicherung >on< war oder aber die Pistole? Einmal abdrücken, und ich wüsste es. Doch das musste warten. Stattdessen ließ ich sie also vorsichtig in meine Jackentasche gleiten und wollte schon weiterfahren, als mir dämmerte, dass ich nun unter Umständen eine ungesicherte Waffe in der Jacke stecken hatte, die mehr oder weniger direkt auf meinen Sack zielte. Mit äußerster Vorsicht holte ich sie wieder raus und verstaute sie erneut im Handschuhfach. Wenn, würde ich sie so oder so erst heute Nacht brauchen.
    Ich wendete und steuerte entschlossen den Uhlenhorst an, Mülheims mit Villen voll gestellten Stadtwald.
    >Er scheint lichterloh zu brennen<, hatte Charly gesagt und Siegfried König gemeint. >Er muss sich an irgendetwas fürchterlich verhoben haben, denn er kratzt alles zusammen, was er kriegen kann. Er soll sogar, habe ich zumindest gehört, allen Ernstes erwägen, sich von ein paar seiner Statussymbole zu trennen: dem Ferrari, seinen drei Rennpferden, ja sogar seine Yacht hat er extra deswegen vom Mittelmeer hier hochbringen lassen. Er schuldet jemand, der ihm ganz, ganz fies auf die Hühneraugen drückt, und den Druck gibt er, so gut er kann, weiter.<
    Deshalb also die Fristverkürzung für Schuldner Kryszinski.
    Na, dachte ich, wenn die Leute, bei denen Elvis in der Kreide stand, mit ähnlichen Methoden wie er ans Eintreiben gingen, dann hatte ich eine gute

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