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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Chance, dass sich mein Problem fast von allein löste. Außer, natürlich, er schaffte es zu zahlen. Das galt es zu verhindern.
    Deshalb mein Kurs auf den Uhlenhorst.
    Verein müsste man sein. Verein in Mülheim. Man bekommt die schönsten Grundstücke. Es braucht nur rund sieben Mann und eine, sagen wir, Vision. Eine Vision wie - nur ein Beispiel - die, dem Leben unnützer, weil harmloser Hunde einen neuen Sinn zu geben, indem man sie bricht und in kadavergehorsame Beißma
    schinen umdrillt, und zweitausend Quadratmeter idyllischer Wald- oder Ruhrwiese sind einem so gut wie sicher. Anschließend darf man dann noch ein Vereinsheim draufstellen, so dass man etwas hat, wo man in Ruhe saufen kann, während die Köter in ihren Zwingern jaulen.
    Dem Uhlenhorster Reit- und Fahrverein gehörte, wie der Name schon sagte, ein gutes Stück vom Uhlenhorst. >Reit-< bezog sich wohl auf Pferde und >Fahr<, wie es aussah, in erster Linie auf dicke Limousinen und in zweiter Linie auf noch dickere Geländewagen. Der Crown wirkte, unter anderem, geradezu schmächtig neben all diesem opulenten Blech.
    Es war trübe, es war grau, es war empfindlich kühl, doch es war Wochenende und wohl deshalb erstaunlich viel los. Das konnte mir einerseits ganz recht sein, andererseits aber auch wieder nicht. Wäre alles leer und ruhig gewesen, hätte ich mein Vorhaben unter Umständen gleich hier und jetzt in die Tat umsetzen können. So aber ließ ich die >Snubnose< verschlossen im Handschuhfach zurück. Ich würde mich nur orientieren und dann im Schutz der Nacht zurückkehren.
    Ich trat durch das breite Tor und hinein in eine mir völlig fremde Szene. Nicht nur, dass ich mit meiner verschrappten Motorradjacke, meinen Bellbottom-Jeans und den ausgelatschten Basketballtretern allein schon etiquettemäßig aus dem Gewusel von Reitern und Pferdepflegern herausstach, es fiel mir auch schwer, mich in eine Rolle zu denken, die mich gefühlsmäßig einpasste, mir somit eine innere Berechtigung gab, hier zu sein, und mich damit eins mit dem Hintergrund und Umfeld werden ließ. Wirklich gute Diebe können so was. Detektive sollten es beherrschen. Doch es bleibt immer auch ein bisschen Glücksache.
    Zu Anfang versuchte ich, meiner Jeans zuliebe, breitbeinig und im Wiegeschritt wie ein Rodeoreiter zu wirken, ein erhebli
    cher Missgriff. Dafür war das hier der komplett falsche Verein. Ein rotes Fräckchen, ein schwarzes Helmchen, eine Gerte unterm Arm und eine schlappohrige Hundemeute um die Füße wäre passender gewesen.
    Dann probierte ich, mich einfach wie der Rest der Anwesenden zu verhalten, und bekam es auch nicht hin. Jeder, jeder Einzelne hier, von der elfjährigen Göre mit Schneeketten auf den Zähnen bis zum schlohweißen, sehnigen Ex-Kavalleristen ( >Damals in Russland ...< ), bewegte sich hier mit einer für Vereinsmitglieder typischen, enormen Selbstverständlichkeit. Ganz so, als gehöre ihnen der Laden.
    Schließlich ließ ich mich in die Rolle fallen, die ich allerorts und jederzeit am besten beherrsche: ahnungsloser, gaffender Tourist, immer und überall im Weg herumstehend, blöd, aber harmlos. Ab da ging es, und ich entspannte mich gerade genug, um keine Blicke mehr auf mich zu ziehen und niemandem einen Grund zu geben, meiner Erscheinung Platz in seinem Gedächtnis einzuräumen. Nur ein schlichter Spaziergänger, der mal ein paar Pferde anglotzen möchte.
    Drei, um genau zu sein. Drei ganz bestimmte. Ich hatte mich am Telefon mit stark britischem Akzent als Kaufinteressent ausgegeben, der seine Unterlagen verlegt hat und den Besitzer momentan nicht erreichen kann, aber nur heute Morgen Zeit hat, die fraglichen Zossen zu besichtigen.
    Die Pferde hießen Nosferatu, Sunday Times und Prendstout, wurde mir freundlich und ohne Arg mitgeteilt und waren in der Box 17 untergebracht, von A bis C. Ich solle mich im Casino melden, und man würde mir weiterhelfen. Das war lieb gemeint, doch hätte das geheißen, eine weitere Rolle anzunehmen, der ich mich nicht gewachsen sah: Ich wüsste nicht, ob man dem Vieh zur Begutachtung von Alter und Gesundheit für gewöhnlich in die Augen, die Ohren, den Hals oder unter den Schwanz zu kucken hat. Ich weiß noch nicht mal, was ein Fuchs ist oder ein Wallach. Und will es, glaube ich, auch gar nicht so genau wissen.
    Deshalb irrte ich hier etwas verloren herum, denn die Numme-rierung der Boxen schien zwar fortlaufend zu sein, nur die Boxen waren es nicht. Manche umgaben das große, sandige Geviert, das die Mitte

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