Sense
dann fest. »Ursel Sentz hat zwei Pferde, doch sie reitet nur selten.« Na, mein Verständnis hatte sie. Auch ich würde es mir zweimal überlegen, bevor ich mich auf den Rücken eines hysterischen, bremsenlosen Huftiers von einsachtzig Schulterhöhe schwänge, vor allem, wenn ich schon morgens einen Pas de deux mit der Wodkapulle getanzt hätte. »Deshalb bewege ich die Tiere, wenn ich zwischendurch ein wenig Zeit habe. Doch du hast meine Frage nicht beantwortet. Was tust du hier?«
Ah, verdammt. Was könnte ich .?
»Spionierst du mir etwa nach?«
Diese Frage stürzte mich nun endgültig in Verwirrung. Warum sollte ich das machen?
»Blödsinn«, antwortete ich.
Sie wird doch wohl nicht etwa denken, ich sei ein liebeskranker Spinner? Alles, was ich bin, ist ein wenig triebhaft vielleicht.
»Also?« Sie ließ aber auch nicht locker.
»Stress«, sagte ich leichthin. Damit kann man ja heutzutage fast alles erklären. Dicke rote Augen zum Beispiel, die man sehen konnte, im Profil. »Ich habe zufällig auch eine Menge Stress zurzeit, und Pferde wirken beruhigend auf mich.«
Sie stieß Luft durch die Nase, kein bisschen überzeugt, und ließ ihren misstrauischen Blick zu Nosferatu wandern, der mich unverwandt ansah und mit der Nase ein >M< nach dem anderen in die Luft schrieb.
>M< wie >Möhre<.
»Diese drei Pferde gehören Siegfried König«, stellte sie fest. »Dem Mann, der dir die Hand so zugerichtet hat«, fuhr sie fort. »Und der zweihunderttausend Mark von dir fordert.« Veronika weiß immer alles, hat meistens Recht, und sie kann Gedanken lesen. Furchtbare Frau, im Grunde.
»Kristof«, fragte sie, mit einem erheblichen Zugewinn an Schärfe, »was hast du den Tieren da gerade zu fressen gegeben?« Und ihre Ray-Ban-Gläser strahlten plötzlich eine Hitze ab, dass es mir die Wangen rötete.
»Möhren«, sagte ich, deutete auf die Schubkarre vor meinen Knien, nahm, als sie nicht aufhören wollte zu starren, eine heraus, putzte sie an der Hose sauber und biss ein ordentliches Ende ab. »Nur leckere Möhrchen«, fuhr ich mit vollem Mund fort. »So gesund.«
Schließlich ließ sie von mir ab und nestelte wieder am Zaumzeug ihres Grauen herum.
»Stress wahrscheinlich«, sagte sie. »Aber für einen Augenblick hatte ich den Verdacht .«, sie ließ den Satz unvollendet, schüttelte dann den Kopf. »Ich sollte wissen, dass du zu so etwas nicht fähig wärest.«
Womit sie natürlich, wie meistens, Recht behielt. Was sie da gerade konstatiert hatte, war mir schon eine ganze Weile lang klar. Seit der ersten Möhre, um genau zu sein.
Nachdenklich fuhr ich davon. Ich fühlte mich, ehrlich gesagt, ein bisschen wie ein Versager. Mir blieben gerade mal heute und morgen, bevor sich ein, zwei, vielleicht drei Leute mit Enthusiasmus an die Erledigung der Aufgabe machten, die Charly freundlicherweise vor sich herschob. Irgendwelche Typen, die für zwanzig Mille alles tun würden. Und es gibt ein paar wirkliche Tiere da draußen. Doch gleich bei der ersten Chance, ihren Auftraggeber in die Bredouille zu bringen, ihn, wenn möglich, schon im Ansatz zu stoppen, kniff ich. Wie ein Schwächling. Wie ein sentimentales Wrack. Wer noch nicht mal ein Pferd umpusten kann, um seinem Feind zu schaden, der sollte sich vielleicht besser erst gar keine Feinde zulegen.
Gleichzeitig sollte man niemals und unter keinen Umständen aus den Augen verlieren, wie viel man seinem Gewissen zumuten kann. Selbst wenn man von Rachsucht geschüttelt wird.
Damit war der Punkt also abgehakt. Trotzdem war der Besuch im Uhlenhorst nicht völlig vergeblich gewesen, hatte Futter für gedankliche Arbeit geliefert.
Sascha Sentz war also Mitglied gewesen in genau dem gleichen Reitverein, bei dem auch Milieugröße Elvis seine Galopper untergestellt hat. Ich hatte Berührungspunkte zwischen den beiden gesucht und ... voilä! Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn sich daraus nicht etwas machen ließe. Ah, leicht. Ich brauchte nur auf dem sentzschen Computer einen Brief an Siegfried König aufsetzen, einen Brief voll dunkler Andeutungen über manipulierte Pferdewetten und gefingerte Zieleinläufe, gipfelnd in der Forderung, entweder an den Einnahmen beteiligt zu werden oder aber alles auffliegen zu lassen. Ein paar Wochen vordatiert und gezeichnet: Dein alter Partner Pascha. Und den könnte ich dann beim detektivischen Durchstöbern der Dateien >finden< und Menden voller Eifer präsentieren. Menden wäre kein Bulle, wenn er darauf nicht anspränge wie
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