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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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bis dahin gab es nur diese relativ schmale Uferstraße mit langen Geraden, leider immer wieder unterbrochen von schwierig einzuschätzenden Kurven, regelrechten Schikanen.
    Wenn man ein schweres Auto mit schlapper Beschleunigung möglichst zügig pilotieren will, darf man unter keinen Umständen an Schwung verlieren. Fuß weg von der Bremse, heißt das.
    Zweimal mussten wir aufs Gras, einmal über den Straßengraben hinweg, zwischen zwei Alleebäumen hindurch, auf den Radweg ausweichen, und einmal konnten wir uns so gerade eben noch unter der zackigen Ladegabel eines mit landmänni-scher Unverdrossenheit einbiegenden Traktors hindurchducken, unbeschadet bis auf ein paar hässliche, lange Kratzer im Dach, bevor wir eine Kurve ausließen, um kurz die Terrassenbestuhlung eines Golfclubcafes neu zu sortierten. Weia! Das mit dem Trecker war knapp gewesen. Geschlossener Sarg, hätte das beinahe geheißen.
    Nach der Terrasse kam das Green oder wie man das nennt, auf alle Fälle war es grün, und ich bin mir - bei aller Bescheidenheit - fast sicher, dass mein flüchtiger Besuch im Vereinsleben tiefere und bleibendere Eindrücke hinterließ, als es selbst eine Turnierteilnahme von Tiger Woods vermocht hätte. Schlingernd, schleudernd, rutschend im Versuch, ohne Zeitverlust eine möglichst gerade Linie durch die willkürlich angeordneten nierenförmigen Sandlöcher und nummerierten Wimpelstangen hindurch zu finden, kämpfte ich mich unter Flüchen zur Landstraße zurück.
    Gleichzeitig musste ich vor meinem geistigen Auge die Straßenkarte >Ruhrgebiet, südlicher Teil< entfalten und die weitere Route vorausplanen.
    Das war zum Glück recht simpel. Nahm ich in Kettwig die Brücke, brauchte ich anschließend nur der Straße zu folgen, bis sie oben auf dem Hügel den Schürweg kreuzte. Mit ein ganz klein wenig Glück und einer Menge fahrerischem Einsatz könnte ich sie da so eben noch erwischen .
    Wenn sie nicht erneut abgebogen waren .
    Mein Armaturenbrett erstrahlte in Rot, und der süßliche Duft kochenden Glykols schwängerte die Luft, als ich mich der Kuppe näherte. Die Ampel an der Kreuzung war grün, also verzögerte ich ein bisschen, und sie blieb grün, also verzögerte ich noch ein bisschen mehr, und zahllose Autofahrer, die ich gerade vorher noch an unmöglichen Stellen überholt oder mit Hupe, Lichthupe und Drohgebärden von der linken Spur gejagt hatte, mussten sich jetzt wieder an mir vorbeiquetschen und zeigten mir dieses Kopfschütteln, das seit einiger Zeit den Vogel abgelöst hat. Endlich, rot. Ich reihte mich unauffällig ein und wartete bang.
    Da kamen sie! Erst der Ferrari, dann der Rover, brav gefolgt von der Prinzessin. Ich atmete auf. Der Rest, sagte ich mir, sollte ein Klacks werden.
    Irgendwo hier musste es sein. Scuzzi hatte mir die Adresse gegeben. Alleine hätte ich nur schwer hierhin zurückgefunden.
    >Friedrich-Eleziel-Gatherow-Straße<, was für ein Horror von einer Anschrift.
    Eine Seite war Ziegelmauer, unterbrochen von Schmiedeeisen, gekrönt von goldenen Spitzen, dahinter alter Friedhof mit ebenso altem Baumbestand. Die andere Seite war Villengegend.
    Ich meine, >Eppinghofer Bruch< ist schlimm genug. Aber >Friedrich-Eleziel-Gatherow-Straße< würde mir das Lottospielen ein für alle Mal vergällen, von Behördengängen ganz zu schweigen.
    Langsam rollte ich die Mauer entlang, ein Auge auf die arroganten, zehn Stufen oberhalb des Gehwegs beginnenden Fassaden gegenüber gerichtet.
    Irgendwo hier war es gewesen.
    Ich wusste jetzt, wo die >Prinzessin Stephanie< gelandet war, wusste, wo sie stand. Es war der erwartete Klacks gewesen, ihr bis Mülheim-Broich zu folgen und aus sicherer Distanz zu beobachten, wie sie in das kleine Gewerbegebiet rings um den ehemaligen Güterbahnhof abbog. Von da ab war ich ganz ruhig geworden. In das Gebiet führte nur ein Weg hinein und derselbe wieder hinaus.
    So hatte ich mir also erst mal 'nen Kaffee besorgt, 'n paar Kippen, 'ne Wurstsemmel. Gegessen, getrunken, geraucht und dann erst den Kragen hochgeschlagen und mich zu Fuß in das Durcheinander dieser mehr als hundert Jahre alten, gewachsenen Industriestruktur begeben.
    Irgendwo hier . Fraglich blieb, ob man mich überhaupt einließe, denn ich hatte es wohlweislich vermieden, mich telefonisch anzumelden. Andererseits hatte ich sowieso Zeit, und daher erschien es mir einen Versuch wert. Denn hier bestand die - wenn auch dünne - Möglichkeit, mehr über das Verhältnis von Pascha und Elvis in Erfahrung zu

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