Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
heute Abend vielleicht den Türdienst machen?«, bat mich Bernhard, als ich vom Katzenfüttern herunterkam. »Drago hat sich krankgemeldet.«
    Doch ich musste absagen. Ich hatte schon andere Pläne.
    »Wie viel?«, fragte Scuzzi, hustend, und wischte an seinem T-Shirt herum, auf das er sich Calvados geprustet hatte, »wie viel? Sag das noch mal!«
    Also sagte ich es ihm noch mal und konnte dann Zahlenreihen durch seine großen Augen rattern sehen. »Schätzungsweise«, fügte ich beruhigend hinzu. Klar hatte ich die Menge schätzen müssen, und da es galt, Scuzzi zu überzeugen, hatte ich die Schätzung lieber hoch angesetzt.
    »Von einem Mittelmeerhafen hier hoch gebracht und offenbar Unsummen wert. Was könnte das sein?«
    »Das werden wir rauskriegen«, schrie Scuzzi und sprang in die Schuhe. »Und Elvis kommt uns sicher nicht in die Quere?« »Der hat zurzeit andere Sorgen.«
    »Trotzdem«, Scuzzi zögerte, erst einen Arm in der Jacke, »mir wäre wohler, wenn wir eine Wumme dabeihätten. Wenn nicht für den Bruch als solchen, dann doch zumindest für die anschließenden Verkaufsverhandlungen.«
    »Haben wir. Saschas alte 38er liegt im Handschuhfach.«
    »Mit Munition?«
    »Jau. Eine ganze Schachtel.« Scuzzi und ich und eine scharfe Handfeuerwaffe. Für alles scheint es ein erstes Mal zu geben. Die ganze Situation nahm gewisse irreale Züge an. Schusswaffen, also wirklich! Wir sind doch nicht im Fernsehen. Gleichzeitig hatte mein Partner wahrscheinlich Recht: Ohne bleihaltige Argumente würde es für die Aufkäufer wenig Anlass geben, wirklich mit der Kohle rüberzuwachsen und die Shore nicht einfach so, ohne Bezahlung, mitzunehmen. Trotzdem . Ich glaube, wenn Charly in diesem Augenblick angerufen und gesagt hätte, Elvis hätte von der Forderung an mich abgesehen, ich wäre vor Erleichterung auf die Knie gesunken und hätte gesagt, Schwamm drüber, wir sind quitt, kein Wort mehr, keine bösen Gefühle etc. pp.
    »Komm, lass uns anstoßen«, sagte Scuzzi und kam mit zwei Schwenkern um den Schreibtisch herum, fingerhoch voll mit einer bernsteinfarbenen, am Glas nur flüchtige Schlieren hinterlassenden Flüssigkeit. Ich schnüffelte an meinem, und die Art, wie mir die Tränen in die Augen schossen, ließ auf einen Prozentsatz in direkter Nachbarschaft zu dreistelligen Werten schließen.
    »Auf uns«, sagte er feierlich. »Morgen um diese Zeit sind wir entweder reich«, er hob sein Glas ins Licht, »oder tot!«
    Und wir kippten das Zeugs mit einem Ruck.
    »Na, dann los!«, rief Scuzzi, während ich noch um Atem rang, und er grinste dieses leicht wahnsinnige, von allen Bedenken befreite Grinsen, mit dem noch alles angefangen hat, das wir zusammen verbrochen haben, und war mit einem Satz aus der Türe.
    Klar und kalt war's, und windig und duster. Genau so also, wie man es sich immer wünscht, bevor man einsteigt. Ein schöner, pfeifender Wind bringt tausend Sachen zum Quietschen, Rappeln und Scheppern, und je dusterer, desto besser, logisch. Ist man dann erst mal drinnen, wünscht man sich allerdings nichts sehnlicher als hellsten Mondschein und komplette Flaute, kann man doch sonst nur schlecht hören, ob sich jemand im Haus bewegt oder draußen davor, und auch nur schlecht sehen, ob irgendwer im Anmarsch ist.
    Die heutige Nacht war ein akzeptabler Kompromiss. Bisschen Wind, bisschen Sternenlicht, der Mond noch nicht hoch.
    »Lass uns den Wagen verstecken«, murmelte ich, obwohl es dafür keinen Grund gab. Zu murmeln, heißt das. Das ganze Gewerbegebiet schien Feierabend gemacht zu haben, nur auf der anderen Seite des langen, die Sackgasse auf einer Seite säumenden Maschendrahtzaunes, beim Straßenbahndepot, brannten noch alle Lichter, und ab und an rumpelte ein Bus oder quietschte eine Bahn über das Gelände. Ansonsten waren wir, wie es aussah, allein.
    Gleich am Anfang der langen, nicht viel mehr als einspurigen Gasse befand sich eine kleine Brache mit einem Kohlehaufen in der Mitte. Ich parkte den Crown dahinter, kramte vom Rücksitz, was ich mir aus Bernhards Werkzeugkeller geliehen hatte: Die Taschenlampe behielt ich, das Brecheisen und den Akkuschrau-ber drückte ich Scuzzi in die Hand. Schließlich, weil er drauf bestand, schloss ich Scuzzi noch das Handschuhfach auf, und er inspizierte die 38er, ließ sie aufschnacken und die Trommel rotieren und steckte sie schließlich zusammen mit der Munition in die Jacke. Er machte einen kühlen und unbesorgten Eindruck. Nerven hat er.
    Wir stiegen aus, und ich zog

Weitere Kostenlose Bücher