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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Schweigen.
    »Und mit deiner Hose?«
    Ich hatte mir beim Rumklettern auf Hallendächern ein etwa bierdeckelgroßes Dreieck in die Front gerissen, das jetzt bei jedem Schritt herumlappte.
    »Soll ich dir das eben nähen? Möchtest du einen Kaffee? Bisschen Eis für die Nase? Was zu essen?«
    Für einen Mann bis zum Hals in Schwierigkeiten gibt es manchmal nichts Schöneres, als ein wenig betuttelt zu werden.
    »Mann, das wär echt nett«, antwortete ich und zog den Gürtel auf. Dann durchruckte es mich, sozusagen. Moooment, dachte ich. »Wo ist Charly?«, fragte ich.
    »Eben was einkaufen. Müsste aber jeden Augenblick zurück sein.«
    Mit fliegenden Fingern machte ich den Gürtel wieder zu. Ich hatte bei Gott schon genug am Hals, entschied ich. Ich brauchte mich nicht zusätzlich noch von Charly erwischen zu lassen, ohne Hose, allein mit seiner Else. Ich hatte gerade die Zunge wieder unter die Lasche geschoben, und die Else sagte »Jetzt sei doch nicht albern«, als die Türe aufflog und ihr Macker hereinkam, bepackt mit Einkaufstüten.
    »Wieso albern?«, fragte er.
    »Kristof wollte sich gerade die Hose ausziehen, hat es sich dann aber im letzten Augenblick anders überlegt.«
    »Soso«, sagte er und stellte die Tüten ab. »Soso.«
    »Zum Nähen«, erklärte ich hastig und wedelte mit dem dreiek-kigen Lappen.
    Charly nickte verstehend, nickte und nickte.
    »Nur zu«, meinte er dann. »Worauf wartest du? Fühl dich frei.«
    »Kristof, mein Junge«, sagte Charly, nachdem ich die Jeans ausgezogen und an Marion weitergeben hatte, die damit um die Ecke verschwunden war, und legte den Arm um meine Schultern, »wenn ich eines fernen Tages einmal eines gewaltsamen Todes gestorben sein werde«, begann er und schob mit mir zusammen ab, Richtung Küche, »und nachdem die Else eine ganze, lange Trauerwoche lang in der engsten und kürzesten schwarzen Tracht, die der Friedhof je gesehen hat, herumgestöckelt ist, möchte ich, dass du meinen Platz bei ihr einnimmst.« Und er sah mir feierlich in die Augen. »Aber«, fügte er hinzu und drückte mich noch etwas fester, »dass wir uns recht verstehen: erst dann.«
    »Sie haben die >Princess Stephanie< aus dem Wasser geholt«, wechselte ich das Thema.
    »Ja«, er nickte, ließ mich los. »Habe ich auch gehört. In den Kreisen um Elvis wird viel von einem bevorstehenden >Befrei-ungsschlag< gemunkelt. Sieht so aus, als wolle er sich mit einem Mal von seinen Schulden befreien. Und auch der Name dieses Schiffes fiel in dem Zusammenhang.«
    »Ich weiß, wo sie steht.«
    Charly nahm eine Büchse Bier aus dem Kühlschrank, hielt sie mir hin. Hatte er gerade noch mit mir geflachst - die Eifersuchtsshow hatten wir alle paar Wochen mal, abwechselnd -, wirkte er jetzt ernst und nachdenklich. Als ich die Büchse ablehnte, knackte er sie für sich selber.
    »Sobald es richtig dunkel ist, will ich hin und nachsehen, was sie geladen hat.«
    »Falls dir Elvis nicht zuvorkommt«, meinte er.
    »Der ist beschäftigt. Hilfst du mit? Wenn das an Bord ist, was ich vermute, und wir anschließend Scuzzis Verbindungen nutzen, könnten wir noch diese Woche reich sein.«
    »Kristof«, seufzte er, »du hast mir gerade eben nicht richtig zugehört. Ich sagte: eines fernen Tages einmal.«
    »Je mehr wir sind und je schneller wir arbeiten, desto geringer wird das Risiko.«
    »Nein«, sagte er und schüttelte den Kopf, »das glaubst du nur. Weil du es glauben willst. Aber das Risiko bleibt sich gleich. Denn selbst angenommen, die Sache klappt, dann kann ja alles später noch ans Licht kommen, egal wie. Und ab dem Tag kann sich keiner der Beteiligten mehr frei bewegen, ohne ständig über die Schulter schauen zu müssen. Übrigens«, hob er die Stimme, »das ausländische Talent, von dem ich dir kürzlich erzählt habe, erinnerst du dich? Der Typ ist wieder in der Stadt.«
    »Ich weiß.« Ich deutete auf meinen verschwollenen Riechkolben. »Ich habe ihn getroffen. Oder er mich. Wie man will. Also, du siehst«, fuhr ich fort, »wir brauchen dich.«
    Doch es hatte keinen Zweck. »Es gibt so etwas wie einen Kodex«, klärte er mich auf, »und darin heißt es: Seinen Auftraggeber beklaut man nicht. Außerdem steht mir das Risiko in keinem Verhältnis zum möglichen Ertrag. Ich wünsche dir Glück«, sagte er noch, »aber bei dieser Aktion bist du auf dich alleine gestellt.«
    Kurz darauf bekam ich meine Hose zurück und trollte mich, hinein in die Dämmerung.
    Nicht ganz auf mich alleine, hoffte ich.
    »Könntest du

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