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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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eine Plane von dem Kohlehaufen und deckte den Crown damit zu. Sofort wurde er praktisch unsichtbar. Ich stecke voller Tricks.
    Das Gegenüber zu dem Maschendrahtzaun bildete eine lang gestreckte Backsteinhalle, in der eine Baufirma ihr Material lagerte.
    »Lass uns die Rückseite nehmen«, sagte ich gedämpft. Den Trampelpfad entlang der Rückfront der Halle wollte ich sowieso inspizieren, war er doch unser einziger möglicher Fluchtweg, wenn etwas schief ging. Bis jetzt hatte ich ihn nur von oben gesehen, vom Dach aus.
    Viel Platz war da nicht, wie ich mit Unbehagen feststellen musste. Vor allem nicht, sollte im ungünstigen Moment eine Bahn kommen. Der Streifen zwischen dem Mauerwerk der Halle und dem S-Bahn-Gleiskörper war gerade mal schulterbreit und lag voll mit allem möglichen vergessenen oder bewusst >entsorgten< Krempel. Und auf den Gleisen herumzuturnen schmeckte mir überhaupt nicht. Ganz davon abgesehen, dass sich gerade S-Bahnen beinahe unhörbar anschleichen, wurden ein paar meiner weniger sedierten Träume immer noch heimgesucht von der Erinnerung an drei grelle Scheinwerfer, eine gellende Pfeife und eine Unzahl knapp an meinem Gebein vorbeiratternder, eiserner Räder. Züge in freier Wildbahn machen mir eine Gänsehaut. Ich hasse die Scheißdinger.
    Immer mal wieder nach vorne und hinten sichernd stolperten wir an der Rückfront entlang. Ganz kurz vor dem Ende hatte auch noch irgendein Schwachkopf einen Stapel Paletten so postiert, dass man aufs Gleis ausweichen musste, um dran vorbeizukommen. All das zusammen verstärkte mein Hoffen, dass nichts schief gehen möge, ungemein.
    Zwischen der langen Halle, die wir gerade passiert hatten, und der kurzen, in der die >Prinzessin Stephanie< auf uns wartete, hatte man einen schmalen Durchgang gelassen. Misstrauisch linste ich hinein, bedeutete Scuzzi zu warten und tastete mich den Gang entlang vor, bis ich, immer noch misstrauisch, den Platz in Augenschein nehmen konnte.
    Leer. Das durch die großzügige Beleuchtung des Straßenbahndepots mit aufgehellte Geviert machte einen beruhigend leeren Eindruck. Kein parkendes Auto, keine herumlümmelnde, mit AK 47s ausgerüstete Wachmannschaft weit und breit. Alles war ruhig. Ermutigt machte ich einen Schritt nach vorn. Der Wind verschnaufte für einen Augenblick, und ein plötzlich an mein Ohr dringendes, undeutliches Gemurmel ließ mich zusammenzucken und hastig in den Schatten des Durchgangs zurückspringen. Da waren welche. Das Geräusch kam aus der Zimmererwerkstatt. Machten die Überstunden? Nicht so recht anzunehmen, ohne Licht. Denn die Fenster waren allesamt dunkel. Das - mir wurde warm -, das musste ein Hinterhalt sein. Also doch AK 47s? Mit einem Puls wie ein Speed-Metal-Bass und einer Zunge wie ein Stück Bims lauschte ich mit äußerster Anstrengung in die Nacht und wäre beinahe gestorben, als mich jemand am Arm packte.
    »Was ist?«, fragte Scuzzi, der Katzenmensch.
    »Stimmen«, raunte ich und zeigte in die ungefähre Richtung. Der zweibeinige Kater machte ein horchendes Gesicht.
    »Tatsache«, meinte er.
    »Kannst du verstehen, was sie sagen? In welcher Sprache sie sich unterhalten?«
    »Deutsch«, antwortete er, immer noch horchend. »Und bis jetzt höre ich nur einen reden, und der hat gerade, wenn ich recht verstanden habe, den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit zitiert, und der wiederum ist der Ansicht, die Aussichten für eine Belebung des Arbeitsmarktes dieses Frühjahr wären nicht so doll.«
    Ich entspannte mich etwas, huschte über den Schotter des Platzes und lugte durch die staubigen Scheiben der Werkstatt. Irgendwo inmitten der reglosen Dunkelheit glomm grün die Skala eines einsamen Radios. Der Sprecher wünschte uns eine angenehme Nacht, und Westernhagen hob zu säuseln an.
    Es wurde Zeit für das, was ich gerne das >exploratorische Abzirkeln des Objektes< nenne. Vor allem, wenn ich einen im Schlappen habe.
    Die Halle mit dem Boot und die Werkstatt der Holzmetzger trafen im rechten Winkel aufeinander, so dass es nicht viel werden würde mit >Abzirkeln<. Doch wo wir schon mal auf dem Platz standen, fing ich gleich hier an mit dem Explorieren. Die Fenster nach vorne heraus waren solide vergittert. Einsteigen wollte ich hier nicht, aber hindurchsehen schon. Wir stellten uns auf die Zehenspitzen und spähten. Schwach, ganz schwach war in der rechten hinteren Ecke ein Schemen von einem dunklen Schiffsrumpf auszumachen. Scuzzi klopfte mir begeistert in die Rippen, bis ich ihn recht

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