Sensenmann
das sie nicht einordnen konnte.
»Nein, ich glaube nicht.« Die Luft schien mit einem Mal elektrisch aufgeladen wie kurz vor einem Gewitter.
»Dann lassen wir es auch vorerst dabei. So kann ich mich besser in der Redaktion umhören.«
»Ist gut. Danke, Jungs. Das hat mir schon geholfen.« Lara
schenkte beiden ein breites Lächeln. Der Kellner kam mit vollbeladenen Tellern und servierte.
»Was ist eigentlich aus dem Fall dieser Plattenbauleiche geworden? Ich fand das aus psychologischer Sicht ziemlich interessant: Ein toter Mann liegt in einer leeren Badewanne und wurde offensichtlich ertränkt, aber es gibt keinen funktionierenden Wasseranschluss in dem Abbruchhaus, und niemand hat etwas gesehen oder gehört. Hat die Polizei inzwischen eine heiße Spur?« Mark sägte an seinem Rumpsteak, während er sprach. Entweder war das Fleisch zäh oder das Messer stumpf.
»Kriminalobermeister Schädlich hat mir im Vertrauen erzählt, dass sie inzwischen wissen, wer der Tote war: ein Rentner aus Wurzen. Er hieß Siegfried Meller.«
»Siegfried Meller.« Nachdenklich murmelte Mark den Namen vor sich hin. »Wurde der Mann denn gar nicht vermisst?«
»Anscheinend nicht.«
»Das ist merkwürdig. Hatte er niemanden, der ihm nahestand? Es war eine Beziehungstat, dessen bin ich mir sicher. Und auch diese absonderliche Todesart hat etwas zu bedeuten. Man müsste im Vorleben des Opfers nachforschen, um ein Motiv und Verdächtige zu finden. Außerdem stellt sich mir die Frage, welchen Bezug der Täter zu diesem Plattenbaugebiet hier hatte. Das ist ja nicht gerade der nächste Weg von Wurzen bis hierher. Er muss sich hier in der Gegend auskennen, um zu wissen, dass die Blocks abgerissen werden sollen. Entweder also stammt er selbst von hier oder hat Beziehungen hierher. Der Täter ist bestimmt ein Einheimischer. Wenn wir es mit einer Serientat zu tun hätten, könnten wir geographic profiling einsetzen.« Marks Worte hörten sich an, als fehle ihm die Tätigkeit als Fallanalytiker. Er hatte endlich einen Streifen Fleisch abgetrennt, schob sich den Bissen in den Mund und kaute darauf herum.
»Es gibt wohl auch DNA-Spuren, die aber, soweit ich weiß, noch nicht ausgewertet sind.«
»Leider nicht besonders nützlich, wenn man kein Vergleichsmaterial hat.«
»Deshalb müssen sie sich ja mit der Analyse auch nicht sonderlich beeilen. Es sei denn, die DNA ist schon mal in einem anderen Fall aufgetaucht und in der Datenbank gespeichert. Aber das weiß man ja vorher nicht.« Lara tunkte ein Stück Salatbeilage in die Bratensoße. Im wahren Leben ging es leider nicht so zu wie in den amerikanischen Serien, in denen man das zu untersuchende Material ins Labor schickte und einen Tag später die Ergebnisse hatte. Wenn ein Fall nicht absoluten Vorrang besaß, konnte es Wochen dauern. Die Labore in Deutschland waren chronisch überlastet.
»Hast du Kontakt mit der Kripo, Lara, oder macht das alles Tom?« Jos Teller war schon fast leer.
»Schädlich erzählt mir ab und zu etwas. Mit Stiller habe ich nichts zu tun. Ich bezweifle auch, dass er mir etwas mitteilen würde.«
»Ich auch.« Mark grinste. Er hatte Kriminalkommissar Stiller letztes Jahr persönlich kennengelernt und ihm den Spitznamen »Blechmann« – angelehnt an die Figur des eisernen Holzfällers aus dem Zauberer von Oz – verliehen. »Ein spannender Fall trotzdem. Du kannst mich ja auf dem Laufenden halten.«
»Das mache ich.« Lara hob die Gabel, um das letzte Stückchen Tomate aufzuspießen.
Eine viel zu weiße Hand legte zwei Zangen auf einen Teppich: eine schwarze Kneifzange und eine Wasserrohrzange. Die Hand verschwand aus dem Fokus und kehrte gleich darauf mit einem Schraubenzieher zurück. Der lange Metallstab mit dem roten Griff landete neben den Zangen. Mehrere Nadeln folgten, eine davon mit einer Öse am Ende. Dann kamen eine Rolle Paketband, das silbrig glänzte, und ein Teppichmesser mit blaugeriffeltem Griff.
Lara schloss den Mund und betrachtete die Gabel in ihrer Rechten, die über einer Tomatenhälfte schwebte. Ihr Blick fiel auf Mark, der sie verblüfft betrachtete, und dann auf Jo, der einen identischen Gesichtsausdruck hatte.
»Du hattest gerade eins deiner Gesichte.« Es war eine Feststellung, keine Frage. Lara nickte, noch immer benommen. In Marks Stimme schwang ein bisschen Aufregung mit, obwohl er sich bemühte, ganz ruhig zu sprechen. »Was war es?«
»Werkzeuge. Ich habe Werkzeuge gesehen. Schraubenzieher und Zangen, so etwas wie
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