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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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Paketband und ein Teppichmesser.«
    »Handwerksgeräte?« Mark schien enttäuscht. »Mehr nicht?«
    »Ein paar Nadeln waren noch dabei. Und eine Hand.«
    »Eine Hand?« Jo hörte sich bestürzt an.
    »Es ist nicht das, wonach es sich anhört. Die Hand gehörte zu
    jemandem, aber das konnte ich nicht sehen. Ich habe nur diese Hand wahrgenommen, wie sie die Werkzeuge nebeneinander auf eine Art Teppich gelegt hat.«
    »Sehr seltsam.«
    »So ist es immer.« Lara betrachtete die Gruppe Spatzen, die leise zeternd um die Tischbeine hüpfte. »Es sind stets nur Bruchstücke.«
    »Kannst du noch mehr sehen? Versuch es noch einmal.« Mark hatte die Hände um sein Glas gelegt und fixierte Lara wie ein seltenes Insekt. Sie kniff die Augen zusammen und versuchte, sich das eben gesehene Bild ins Gedächtnis zurückzurufen. Die Sonne schimmerte orangebraun durch die dünne Haut ihrer Lider. Helle Flecken tanzten hin und her. Im Hintergrund tschilpten die Sperlinge. »Nichts.« Sie hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Es funktioniert nicht auf Kommando.«
    »O. k. Wir sind ja quasi mitten ins Thema gefallen.« Mark lächelte jetzt wieder. »Vielleicht gelingt es uns, ein wenig Ordnung in deine neuerlichen Gesichte zu bringen. Hast du alles aufgeschrieben?«

    »Ja. Warte.« Lara nestelte nach ihren Aufzeichnungen. Sie hatte heute Vormittag versucht, Tage, Uhrzeiten und zugehörige Gedankenblitze chronologisch aufzulisten. Während sie die Notizen vorlas, kritzelte Mark unleserliche Schnörkel auf eine wie aus dem Nichts aufgetauchte Karteikarte, und Jo faltete seine Serviette zu einem Schiffchen. Sie unterbrach ihre Schilderungen nur kurz, als der Kellner zum Abräumen kam und Jo drei Tassen Espresso bestellte, und dann noch einmal, als das schwarze Gebräu gebracht wurde.
    Als sie fertig war, saßen die beiden Männer ein paar Sekunden schweigend vor ihren dampfenden Tassen. Mark schüttete ein Tütchen Zucker in den Kaffee und nahm dann die Karteikarte in die Hand. »Ich fasse mal zusammen. Wollen wir sehen, ob das ein Bild ergibt. Beim ersten Mal war es eine Stimme. Du befandest dich gerade im Auto. Die Stimme hat sinngemäß gesagt ›Iss das‹. Dazu hast du Geräusche gehört.« Mark wartete, ob Lara nickte, ehe er fortfuhr. »Drei Tage später hast du zuerst etwas Geschriebenes gesehen. Eine Art Kochrezept mit scharfen Gewürzen. Dann ging es um eine Katze, die weggelaufen war. Diese Gedankenblitze hattest du bei dir zu Hause. Dann war über eine Woche Funkstille. Das nächste Erlebnis hattest du mitten in der Nacht.«
    »Ich dachte zuerst, es wäre ein Traum, aber das war es nicht.«
    »Du bist von einer Stimme aufgewacht, die jemanden angeherrscht hat, er sei schlampig und den- oder diejenige dann eingesperrt hat.«
    »So hat es sich angehört.«
    »Eben war es eine optische Einblendung. Werkzeuge und dazu die Hand. Insgesamt kann ich weder eine bestimmte Zeit feststellen, an denen die Gesichte bevorzugt auftauchen, noch einen Ort. Mal ist es das Auto, dann dein Zuhause, dann eine Gaststätte. Mal bist du allein, mal in Gesellschaft, so wie eben. Bis jetzt waren es vor allem isolierte Geräusche und Bilder.«

    »Richtig.« Lara trank einen Schluck. Der Espresso schmeckte bitter.
    »Voriges Jahr hast du aber mehr wahrgenommen, nicht?« Jo klang ein wenig heiser.
    »Ja. Da liefen teilweise richtige Filme in meinem Kopf ab. Jetzt dagegen sind es nur Fetzen. So wie eben.« Lara seufzte.
    »Ich fürchte, wir können im Moment gar nichts machen, obwohl ich annehme, dass die Ereignisse auch diesmal wieder nichts Gutes zu bedeuten haben.« Mark überflog noch einmal seine Notizen. »Wenn du wieder etwas siehst, schreib es auf. So genau wie möglich. Und dann rufst du mich gleich an, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit.«
    »Jawohl, Chef.«
    »Man müsste wissen, was deine Bilder dieses Mal zu bedeuten haben. Dann könnte man vielleicht etwas unternehmen.« Jo betrachtete den Kaffeesatz in der winzigen Espressotasse. »Aber es ist alles zu vage.«
    »Du sagst es. Aber es hat mir gutgetan, darüber zu reden.« Lara dachte noch darüber nach, was Marks Frau dazu sagen würde, wenn sie ihn mitten in der Nacht aus dem Bett klingelte, um ihm von einem Albtraum zu berichten, als in ihrem Kopf ein wilder Schrei, gefolgt von einem Gurgeln, ertönte. Lara erstarrte auf ihrem Stuhl, während sich das Gurgeln in ein Keuchen verwandelte. Die tiefgrüne Hecke im Hintergrund, davor die entgeisterten Gesichter der beiden Männer,

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