Sensenmann
nicht?«
31
»Hast du schon Mittag gegessen?« Mark drehte den Kopf nach rechts und links und kurvte rückwärts in die Parklücke.
»Nein. Ich habe spät gefrühstückt.« Lara angelte ihre Handtasche
vom Rücksitz. »Sonntags gönne ich mir den Luxus, auszuschlafen.«
»Super. Ich habe Hunger. Wann kommt Jo?«
»Wir treffen uns gegen zwei, habe ich ihm gesagt.«
»Das ist ja bald.« Er bot ihr seinen angewinkelten Arm an, und Laras Hand schlüpfte wie von selbst neben dem Ellenbogen durch. »Dann schlage ich vor, wir essen zuerst in aller Ruhe etwas und reden dann über deine – wie du es nennst – übersinnlichen Erlebnisse.« Er grinste kurz und schaute in den Himmel. »Suchen wir uns einen Platz im Schatten. Die Sonne brennt ganz schön.«
Lara sah sich um. Fast alle Tische im Außenbereich waren besetzt. Familien mit Kindern, Ausflügler, eine Rentnergruppe, Liebespärchen, alle schienen sich verabredet zu haben, das schöne Wetter zu genießen. Für die nächsten Tage hatten die Meteorologen einen Umschwung gemeldet.
Lara betrachtete den feinen weißen Staub auf ihren frisch geputzten schwarzen Pumps. Es wurde auch Zeit, dass es mal wieder regnete. Mark steuerte auf eine der Nischen zu, die jeweils an drei Seiten von hohen Hecken eingefasst waren. Der ideale Platz für ein Tête-à-tête.
»Ich brauche noch in einer anderen Sache deinen Rat.« Lara rückte das Stuhlkissen zurecht und setzte sich. Mark nahm ihr gegenüber Platz und wartete mit hochgezogenen Augenbrauen, dass sie weitersprach.
»Kannst du dich noch an meinen Kollegen Tom erinnern? Tom Fränkel?«
»Den blonden Schönling?«
»Genau den.«
»Das war doch der, der letztes Jahr unter deinem Namen Artikel veröffentlicht hat, oder?«
»Beweisen konnte ich es ihm nie.«
»Was ist mit ihm? Hat er wieder etwas als ›Lara Birkenfeld‹ geschrieben?«
»Nein, das nicht.« Lara sah Jo um die Ecke biegen. Die Fotoausrüstung baumelte von seiner Schulter. Mit schnellen Schritten kam er näher. Seine Augen leuchteten in der Mittagssonne fast violett. Ihr Herz kam ins Stolpern, und sie senkte den Blick auf die Tischdecke.
»Hallo, ihr zwei! Lange nicht gesehen, Mark!« Jo schlug dem Psychologen freundschaftlich auf die Schulter und ging um den Tisch herum zu Lara. »Wir beide treffen uns ja dauernd, nicht?« Lara nickte, weil sie nicht wusste, was sie darauf antworten sollte, und spürte Jos warme Handfläche auf ihrem Arm. Beim Aufblicken bemerkte sie Marks nachdenkliches Lächeln.
»Habt ihr schon bestellt?« Jo hängte die Ledertaschen über die Stuhllehne, setzte sich und griff nach der Karte.
»Nein. Wir sind auch gerade erst gekommen. Lara wollte mir eben etwas erzählen …« Mark wartete kurz und setzte dann zu Lara gewandt hinzu: »Ist es vertraulich?« Sie schüttelte den Kopf, und er fuhr fort. »Dann lass uns das gleich als Erstes besprechen, aber vorher suchen wir uns etwas zu essen aus. Bei dem Betrieb hier wird es sicher eine Weile dauern, bis wir es bekommen.«
Er wartete, bis der Kellner die Bestellung aufgenommen hatte und davoneilte.
»Also, schieß los. Es ging um Tom Fränkel. Was hat er angestellt?«
Jo sah Lara an, als er den Namen des Redakteurs hörte.
»Ich werde das Gefühl nicht los, dass er hinter meinem Rücken intrigiert.« Lara rieb sich die Unterarme. »Gerichtsreportagen, Verbrechen, Kriminalität gehören seit Jahren in mein Ressort. Wenn etwas Derartiges reinkommt, ist es selbstverständlich, dass ich das auf den Tisch kriege, es sei denn, ich bin im Urlaub. Daran hat sich nichts geändert, und auch die Aufgaben wurden nicht neu verteilt. Vor knapp drei Wochen hatten wir dann einen bisher ungeklärten Mordfall. Eine Leiche in einem Plattenbaublock, der abgerissen werden sollte.«
»Der Mann in der Badewanne, von dem du mir erzählt hast?« Mark dämpfte seinen Tonfall, weil der Kellner mit den Getränken nahte. Sie warteten, bis er sich wieder entfernt hatte, dann sprach Lara weiter. »Genau der. Die Information kam über den News-Ticker. Bei der Redaktionskonferenz hat Tom den Fall an sich gerissen.«
»Bist du sicher, dass das böse Absicht von ihm war?« Jo strich mit dem Handrücken Kondenswasser von der Oberfläche seines Bierglases.
»Ja. Er muss das geplant haben, denn er hatte schon vor der Besprechung wegen dieses Falles mit Kriminalkommissar Stiller telefoniert. Toms Argument gegenüber Hampenmann war aber nicht, dass er den Fall unbedingt haben wollte, sondern dass ich in der
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