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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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der Tisch mit den Espressotassen, alles verblasste, während der Film vor Laras Augen die Szenerie wie ein durchsichtiger Bildstreifen überblendete.
    Ohne etwas um sich herum wahrzunehmen, beobachtete sie, wie sich die lange Nadel mit der Öse, die sie eben noch neben dem Teppichmesser liegen gesehen hatte, unter einen gerillten Fingernagel schob. Beidseits des Metallstreifens erschien eine dunkle Linie, die schnell breiter wurde. Dann perlte ein zäher
Tropfen dunkelroter Flüssigkeit unter dem Nagelbett heraus, und Lara hörte sich selbst wie durch Watte nach Luft schnappen.
    Vielleicht hilft dir das, dir die Qualen deiner Opfer besser vorstellen zu können. Zusammen mit der Stimme bewegte sich die Nadel, wackelte hin und her, begleitet von hohem Wimmern. Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen! Was glaubst du, welche Alternativen du hast! Zwei Schleimfäden liefen aus einer Nase.
    Bevor das Bild verschwand, sah Lara noch, dass der Finger, die Hand und der zugehörige Arm auf einem Brett festgebunden waren, dann erlosch die Vision, und die angespannten Gesichter von Mark und Jo materialisierten sich vor der Ligusterhecke. Laut zwitscherten die Sperlinge. Zwei Tische weiter lachte eine Frau grell. Lara löste ihre Finger voneinander und sah von einem zum anderen. Die Männer hatten die ganze Zeit kein Wort gesagt, wohl, um sie nicht abzulenken. Auch jetzt schienen sie zu warten, bis sie das Wort ergriff.
    Sie wünschte sich, Jo und Mark hätten sie aus ihrem Trancezustand geholt, hätten den grässlichen Film angehalten, damit sie nicht wieder tage- und monatelang diese Bilder mit sich herumtragen musste, wusste aber gleichzeitig, dass sie das nicht hatten tun können.
    »Was war es?« Jo hatte sich nun doch entschieden, etwas zu sagen.
    »Ich habe erlebt, wie«  – Lara schluckte trocken und setzte noch einmal an  –, »… wie jemand gefoltert wurde. Mithilfe der Werkzeuge, die ich vorhin gesehen habe.«
    »Gefoltert?« Mark flüsterte.
    »Der Person  – ich kann nicht sagen, ob es ein Mann oder eine Frau war  – wurde eine Nadel unter den Fingernagel geschoben. Jemand hat gesagt, das helfe demjenigen, die Qualen der Opfer besser zu verstehen und dass der Angesprochene sich nicht alles aus der Nase ziehen lassen solle.«

    Jo sog Luft ein. Mark hatte die Karteikarte wieder hervorgeholt und stenografierte mit. »Was hast du außerdem gesehen?«
    »Nur den Arm, sonst nichts. Er war auf einer Art Brett festgebunden.«
    »Hast du ein Gefühl dafür, ob das in der Zukunft oder in der Vergangenheit stattgefunden hat?«
    »Weder noch. Es geschieht gerade eben. In diesem Moment.« Lara sah Mark aufblicken. Seine Pupillen hatten sich verengt. In ebendieser Minute, als sie drei friedlich in der Sommersonne in diesem idyllischen Restaurant saßen, wurde irgendwo ein Mensch gefoltert.
    Matthias öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus. Rainer Grünkern hatte inzwischen einen Schritt auf ihn zu gemacht. In seinen Augen irrlichterte ein heimtückisches Glitzern. » Waren Sie das oder nicht? Ich bin mir ziemlich sicher. Sie sind mir entgegengekommen. Unten am Bach.«
    Der Aufruhr in Matthias’ Innerem steigerte sich zu einer Kakophonie aus Schmerzen und Geschrei. Etwas lief hier ganz und gar nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Warum fragte der Mann nicht, was sein Besucher hier wollte oder wie er in die Wohnung gelangt war? Und warum schien er überhaupt keine Angst zu haben?
    »Haben Sie sich ein bisschen bei mir umgesehen?« Das ölige Grinsen in dem faltigen Gesicht vertiefte sich. »Alles sauber aufgeräumt, nicht? Wie hat Ihnen meine Filmsammlung gefallen?« Eine Hand schwenkte zu dem Regal. Gleichzeitig machte Rainer Grünkern noch einen Schritt auf seinen Besucher zu.
    »Und dann die ganze Technik. Ich bin ziemlich stolz darauf, wie Sie sich bestimmt vorstellen können. Nicht jeder Rentner kennt sich mit Internetforen, Tauschbörsen und Chatrooms aus.«

    Noch ein Schritt näher. »Haben Sie sich auch angeschaut, was ich gerade herunterlade?« Er sprach jetzt leiser, seine Stimme hatte einen höhnischen Beiklang. »Heutzutage gibt es alles im Netz. Wirklich alles.« Rainer Grünkern stand jetzt vor der Tür zum Wohnzimmer, das hereinfallende Tageslicht zeichnete seine Gestalt als verzerrten Schattenriss auf den Boden. »Ich wusste, dass jemand hier ist, als ich zur Wohnungstür hereinkam. Ihre Pakete stehen im Flur. Wie unvorsichtig! Oder hatten Sie die etwa vergessen? Reden Sie doch mit

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