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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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Ruhe hineinkommt. Übergeben Sie alles, was Sie haben, an ihn. Heute noch. Unser Kollege Bert Anders hatte einen Bandscheibenvorfall und wird für längere Zeit ausfallen. Sie betreuen vorerst seine Panorama-Seiten. Haben wir uns verstanden?«
    Aus den Augenwinkeln sah Lara Tom mit dem Kopf nicken, als habe er das alles schon gewusst. Wahrscheinlich hatte er das Ganze gestern mit Hampenmann zusammen ausgekocht. Der rote Schleier vor ihren Augen schlierte hin und her. Ihr ganzes Gebiss schmerzte. Der Redaktionsleiter nickte auch, schwenkte mit einem militärischen Dreh herum und stolzierte zur Tür hinaus.
    Lara setzte sich schwerfällig in Bewegung. Ein paar Sekunden später fand sie sich in der Küche wieder, eine Cola in der Rechten, von der sie nicht wusste, wie sie dahin gekommen war. Neben ihr stand Isabell und guckte besorgt.
    »Das war nicht nett von Tom.« Die Praktikantin flüsterte.
    »Lass mich bitte in Ruhe, Isi.« Der Deckel der Flasche öffnete sich mit einem Zischlaut. Die Kohlensäure brannte im Rachen. Lara setzte erst ab, als die Flasche halb leer war.
    »Ich weiß, dass du recht hast.« Isabell wisperte nun fast unhörbar. »Es tut mir leid.«
    »Schön für dich. Und nun geh bitte nach draußen.« Wie ein sprudelnder Vulkan kochte der Zorn. Sie wollte ihn nicht an der Praktikantin auslassen. Isi zog eine Schnute und stakste hinaus. Lara trank noch einen Schluck Cola und wartete, dass die brodelnde Lava allmählich zur Ruhe kam. Die Notizen über den Hooligan-Fall konnte Tom gern haben. Nicht den angefangenen Artikel, diese Arbeit sollte er schön selber machen; ihre Aufzeichnungen aus dem Gericht jedoch würde sie ihm übergeben. In der Anwesenheit von Zeugen. Aber nur das, was heute Nachmittag gelaufen war. Schließlich war sie durch seine Lüge zu spät gekommen. Sollte er sehen, wo er die Informationen vom
Vormittag herbekam. Lara trank die Flasche leer und stellte sie weg.
    Aber es gab noch einen weiteren Fall, an dem sie dran war. Die zweite Plattenbauleiche. Vielleicht wusste Tom davon noch nichts. Und wenn es nach ihr ging, sollte es auch dabei bleiben. Das war ihr Fall, und sie würde darüber schreiben! Lara lockerte ihre Kaumuskeln. Sie musste jetzt wieder da raus und der Hyäne am Schreibtisch gegenüber ins Lügengesicht sehen. Aber sobald sie Tom die Informationen ausgehändigt hatte, würde sie sich nach Grünau aufmachen und an ihrem Fall weiterrecherchieren. Und wenn sie den fertigen Artikel einer anderen Zeitung anbieten musste, Tom Fränkel würde ihn nicht bekommen!

35
    »Die Stimme hat also zu Ihnen gesagt: ›Tu nicht so unschuldig‹ und ›Du siehst aus wie ein Schaf‹?« Mark Grünthal hielt das kleine Notizbuch aufgeschlagen in der Hand und betrachtete die nach rechts geneigte Schrift. Mia nickte. »Und es war eine Frauenstimme.« Mia nickte noch einmal. »In welchem Ton hat sie mit Ihnen gesprochen?«
    »Ein bisschen schnippisch. So, als verachte sie mich.« Ich bin nicht schnippisch! Nur ehrlich!
    »Warum sollte die Stimme das tun?«
    »Weil ich mit dem Journalisten ausgehen wollte.« Von dem, was in der Nacht danach passiert war oder wie sie sich heute Mittag in der Cafeteria des Gerichts aufgeführt hatte, sagte Maria Sandmann dem Arzt nichts.
    »Hm.« Der Psychologe blätterte um. »Das war alles an Kommentaren, was Sie seit unserem Treffen letzten Freitag gehört haben?« Er machte ein skeptisches Gesicht, und Mia hatte das Gefühl,
der Arzt wisse ganz genau, dass sie nicht alles notiert hatte. Insbesondere die Beschimpfungen als Nutte und Drecksstück nicht.
    »Bei Träume haben Sie geschrieben: ›keine‹ und bei Flashbacks steht überhaupt nichts.« Die Skepsis war jetzt auch in seiner Stimme zu hören. »Heißt das, dass Sie in den letzten Tagen nichts dergleichen erlebt haben?«
    »Nichts, an das ich mich erinnern könnte.« Mia Sandmann hörte sich selbst zu. Das, was sie sagte, klang beherrscht und selbstsicher. Sie hatte sich zwar entschlossen, den Termin heute wahrzunehmen, einfach weil sie ungern etwas absagte, das fest ausgemacht war, aber schon auf der Fahrt nach Berlin waren ihre Zweifel gewachsen. Mittlerweile war sie sich sicher, dass das hier vergeudete Zeit war. Die schrecklichen Erinnerungsschübe an das Kinderheim waren ausgeblieben, und ihr Leben verlief wieder in normalen Bahnen. Bis auf diese Hals-über-Kopf-Affäre mit dem Journalisten, den sie, wenn sie es recht bedachte, nicht einmal attraktiv fand. Und was ist mit dem Traum von

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