Sensenmann
so euphorisch gemacht, dass er redete wie ein Wasserfall. »Am Wochenende wollen wir ins Kino gehen.«
Rolf Martin hatte sich herangekämpft. »Sorry, Lara. Ein Auffahrunfall auf dem Autobahnzubringer. Alles verstopft. Was soll ich fotografieren?« Lara gab ihm ein paar knappe Instruktionen, und der Fotograf setzte sich in Bewegung. Auf der Bühne sprach inzwischen eine Business-Lady. Ihr Mund war zu dicht am Mikro, sodass es bei jedem Wort rauschte.
»Los, pirschen wir uns an den Grill ran.« Frank verstaute seine Kamera. »Ich hab alles, was ich für meinen Artikel brauche.
Nachher noch ein bisschen O-Ton und das wär’s.« Lara folgte ihm zu dem weißbekittelten Würstchenmann.
»So. Ich bin hier fertig. Und du?«
»Ich auch.« Lara schaltete ihr Diktiergerät ab. »Ich hoffe, Rolfs Fotos werden gut. Nur der nackte Text – das ist langweilig.«
»Hm. Wo hast du dein Auto geparkt?« Frank Schweizer marschierte vorneweg. Seine Schuhsohlen ließen bei jedem Schritt feine Wölkchen aufwirbeln.
»Gleich vor der Schule.« Lara wühlte in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel.
»Ich hab dich übrigens vorgestern vermisst.«
»Wie meinst du das?« Lara verstand den Sinn der Frage nicht. Sie sah sich mit Ralf Schädlich im Lindencafé sitzen. Frank war mit Maria Sandmann dort gewesen. Wie konnte er sie dabei vermissen?
»Bei Gericht.«
»Bei Gericht?« Laras Stimme machte bei dem Wort »Gericht« einen kleinen Quiekser.
»Ja, bei der Eröffnung des Verfahrens gegen diese vier Hooligans, am Dienstag. Der Termin kam, glaube ich, erst Montagnachmittag rein.«
»Die Fußballrowdys, die auf dem Bahnhof zwei Passanten zusammengeschlagen haben? Sollte das nicht erst nächste Woche losgehen?« Lara dachte darüber nach, wo sie am Montagnachmittag gewesen war. Zuerst beim Prozess gegen Doktor Schwärzlich, dann mit Frank und Maria Sandmann etwas trinken. Danach aber war sie noch einmal in die Redaktion gefahren, um ihren Artikel über den Klinikarzt abzuspeichern.
»Genau die. Man hat sich kurzfristig dazu entschieden, das vorzuverlegen, um die Zeitspanne zwischen Straftat und Prozess zu verkürzen. Das sei dann für die zum Teil noch jugendlichen Täter nachvollziehbarer.«
»Von der Terminverschiebung habe ich nichts mitbekommen.« Warum hatte ihr niemand Bescheid gesagt? Sonst riefen die Kollegen sie an oder legten ihr wenigstens einen Zettel auf den Schreibtisch. Am Montagabend aber war weder eine Notiz da gewesen noch eine Nachricht auf der Mailbox eingegangen. Noch während Lara darüber nachsann, hatte Frank schon weitergeredet.
»Es war aber, glaube ich, ein Kollege von dir da.«
»Ein Kollege ?«
»Ich weiß nicht, wie er heißt. Könnte aber auch sein, dass er von einer anderen Zeitung kam.« Frank drückte auf die Fernbedienung, und sein Auto begrüßte ihn mit einem Blinken. In Laras Kopf lief ein Kurzfilm ab: sie am Dienstag an ihrem Computer, Isabell daneben. Sie fragte die Praktikantin, wo Tom sei und Isabell antwortete: »Keine Ahnung. Steht nur außer Haus in der Liste.« In ihrem Bauch ballte sich ein heißer Klumpen. »Wie sah der Kollege aus?«
»Mittelgroß, blonder Strubbelkopf, attraktiv. Ein Frauenversteher.« Frank war neben der Fahrertür stehen geblieben, nestelte eine Zigarette aus einer zerdrückten Packung und steckte sich das krumme Stäbchen zwischen die Lippen.
»Tom Fränkel?« Der Klumpen glühte jetzt, schleuderte Teilchen gegen Laras Magenwände.
»Fränkel, hm. Könnte sein.« Franks Feuerzeug klickte. Erst jetzt sah er Lara an. »Oh. Hat der dir den Termin weggeschnappt?«
»Gerichtsberichte sind mein Ressort! Ich wurde nicht einmal informiert!«
»Ich dachte, du hättest einen anderen Termin und der Schnösel vertritt dich.«
»Ich wurde übergangen. Dieser Typ will mir das Wasser abgraben.«
»Denkst du wirklich? Nicht paranoid werden, Lara!« Frank
blies einen Rauchring und klopfte Lara dann auf die Schulter. »Ich muss los. Wir sehen uns. Vielleicht im Lindencafé .« Er kniff verschwörerisch das rechte Auge zu, warf die halb gerauchte Kippe in den Sand und stieg in sein Auto.
Lara versuchte, tief Luft zu holen, aber das Engegefühl in ihrem Hals wollte nicht weichen. Dieser hinterlistige Kotzbrocken! Tom Fränkel hatte sie erneut hereingelegt, aber dieses Mal würde er nicht ungeschoren davonkommen. Wütend sah sie Frank Schweizer hinterher.
»Hallo, Lara! Wieder da? Wie war’s?« Friedrich sah nicht auf. Seine Finger huschten über die Tasten.
Weitere Kostenlose Bücher