Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Bahn. Er wusste nicht, wohin er schauen sollte, also warf er einen verlegenen Blick zurück in die Tiefe, der er soeben entstiegen war.
„Nichts weiter, nur ein Undur“, sagte Avalea unbewegt und rollte das Seil auf. „Eigentlich stehen Menschen nicht auf seinem Speiseplan, aber wenn einer so töricht ist und in seine Falle gerät, macht er schon mal eine Ausnahme.“
Luke sah sie unsicher an. Ihm wurde unangenehm bewusst, ihr allem Anschein nach sein Leben zu verdanken. Aber was zum Teufel suchte sie überhaupt hier?
„Was ist ein Undur?“ fragte er stattdessen.
Sie gab ihm bereitwillig Auskunft.
„Ein ganz und gar hinterlistiger Räuber, wie du kaum abstreiten kannst. Er lebt die meiste Zeit unter der Erde und kommt wenn überhaupt nur nachts aus der Grube heraus. Einer seiner vorzüglichsten Eigenschaften ist Geduld. Manchmal vergehen Wochen, bis irgendein unvorsichtiges Wesen in seine Falle gerät. So wie du eben. Dann zahlt sich sein Warten aus.“
Luke schluckte.
„Was wäre geschehen, wenn du mir nicht rausgeholfen hättest?“
Avalea verstaute den Strick in ihrem Rucksack.
„Nun, der Undur hätte dich mit Hilfe seines Giftstachels gelähmt und anschließend, wenn du bewegungslos gewesen wärst, in seinen unterirdischen Bau gezerrt. Vielleicht hätte er bei dir auch eine Ausnahme gemacht, ich bezweifle, dass er kräftig genug ist, einen ausgewachsenen Menschen unter die Erde zu ziehen.“ Sie sah vergnügt in Lukes entsetztes Gesicht und fuhr mit weiterhin teilnahmsloser Stimme fort: „Auf jeden Fall hätte er dir ein Fluid injiziert, das dich langsam von innen heraus zersetzt haben würde. Und letzten Endes hätte er dich ausgesaugt, bis auf den letzten Tropfen. Danach wäre er für Monate versorgt gewesen.“
Lukes weit aufgerissene Augen wanderten von Avalea hinunter auf den Grund des Trichters. Keine Spur mehr von dem mysteriösen Undur, der sich ob der entgangenen Mahlzeit wahrscheinlich gerade mächtig ärgerte. Nicht auszudenken, was sich ohne Avaleas Hilfe hier zugetragen hätte!
„Wie es… also, wie es aussieht, bin ich dir zu großem Dank verpflichtet“, stotterte er zusammen.
Avalea lächelte frohgemut.
„Keine Ursache. Du darfst dich bei Gelegenheit revanchieren.“
„Worauf du dich verlassen kannst.“ Luke kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Eine Frage brannte ihm auf der Zunge, doch fühlte er sich außerstande, sie in Worte zu fassen. Ein Unterfangen, das sich kurze Zeit später ohne jedes Zutun von selbst lösen sollte.
„Wieso hast du dich so weit von den anderen beiden entfernt?“ fragte Avalea. Es klang nicht einmal vorwurfsvoll. „Du kannst von Glück reden, dass ich so nahe war und dein Rufen hörte.“
Noch bevor Luke antworten konnte, tauchten Krister und ich auf der Bildfläche auf. Mir fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als ich Avalea neben dem Vermissten stehen sah.
„Was geht denn hier vor?“ Ich konnte es nicht glauben. Noch einmal auf Avalea zu stoßen, übertraf alle Erwartungen. Noch ehe sie Auskunft geben konnte, reagierte Luke. Er stand so tief in ihrer Schuld, er musste sie in Schutz nehmen, auch wenn es ihm nicht unbedingt gefiel.
„Sie hat mir gerade das Leben gerettet“, sagte er mit fester Stimme.
„Sie hat was?“
„Mir das Leben gerettet, Krister“, wiederholte Luke bereitwillig.
„Was ist hier passiert?“ Misstrauisch beäugte ich Avalea. Wie um alles in der Welt war es ihr gelungen, uns erneut so dicht auf den Fersen zu bleiben, ohne dass wir etwas davon mitbekommen hatten? Das überstieg meine Vorstellungskraft. Der hinter uns liegende Forst war riesig in seinen Ausmaßen. Uns unter diesen Umständen nicht aus den Augen zu verlieren, grenzte an ein Wunder. Oder an eine Meisterleistung. Ich war bereit, letzteres anzunehmen. Dieses weibliche Wesen schaffte es erneut, mich komplett zu verblüffen.
Avaleas hintergründiger Blick wanderte hinüber zu Luke. Sie überließ ihm offensichtlich nur zu gerne das Feld. Und Luke, der aus seiner Dankbarkeit kein Geheimnis machte, erzählte in kurzen Sätzen, was sich zugetragen hatte. Unbehaglich spähte ich die tiefe Grube hinunter. Um weitere Unruhe zu vermeiden, legte ich die Hand besänftigend auf Kristers Arm, der soeben anfangen wollte, seinem kleinen Bruder eine Standpauke zu halten. Er hielt tatsächlich inne und verzichtete (vorerst) auf dieses Vergnügen.
Ich überlegte, wie ich mich jetzt verhalten sollte. Avalea zu Dank verpflichtet zu sein, passte mir ganz und gar
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