Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
zusammen und steckte sie weg. Es missfiel mir, wenn Avalea an den Dingen, die aus meiner Welt kamen, herummäkelte. Vor allem dann, wenn ich sie für kostbar und einzigartig hielt.
Ganz wie von ihr vorhergesagt, erreichten wir am darauffolgenden Tag den unspektakulären Zusammenfluss von Weiroa und Kalapanga. Die beiden Flüsse strömten in einer Art Überlaufbecken ineinander, dessen beeindruckende Größe die Vermutung zuließ, bei Hochwasser einen richtigen kleinen See zu bilden. Jetzt in der Trockenzeit war es nur zu einem Bruchteil gefüllt. Am östlichen Ende, am rechten Ufer des zuströmenden Kalapanga, erblickten wir dann zu unserer Überraschung wieder jene merkwürdigen Schlote, die uns bereits in Lavonia aufgefallen waren. Wie damals ragten sie gut sichtbar meterhoch aus dem Wasser, wenngleich in deutlich geringerer Anzahl. Ich zählte lediglich sechzehn.
„Kennen wir die nicht?“ Krister deutete zu ihnen hinüber. „Hätte nicht geglaubt, noch einmal auf so etwas zu stoßen.“
Avalea folgte seinem Zeigefinger und zuckte mit den Achseln.
„Ach, das meinst du. Ja, sie sind selten geworden, stürzen allmählich in sich zusammen. Kein Wunder, ist ja niemand mehr da, der sie instandhält.“
Ich sah sie erstaunt an.
„Du weißt demnach, um was es sich bei diesen Schloten handelt?“
Sie nickte unschuldig.
„Natürlich. Ihr nicht?“
„Nicht im Geringsten“, gab ich zu, ohne mich dumm zu fühlen. „Wir sahen welche in der Nähe des Skelettflusses, haben sie auch genauer untersucht, konnten uns aber keinen Reim darauf machen.“
„Es sind Luftschlote, die die unterirdischen Siedlungen der Uhleb mit Sauerstoff versorgten“, klärte uns Avalea auf. Unsere verdutzten Blicke brachten sie zum Lachen. Kein überhebliches Lachen, nein, vielmehr ein sympathisches, ansprechendes. „Natürlich könnt ihr das nicht wissen, bei euch im Norden wird es diese Bauten kaum geben. Sie waren der letzte Versuch, in einem Land voller Feinde zu überleben.“
„Willst du damit sagen, die Uhleb existierten unter der Erde?“ fragte Luke.
„Zum Ende hin ja. Dort fühlten sie sich einigermaßen sicher vor den allgegenwärtig gewordenen Mithankor. Sie sahen sich gezwungen, ihre Dörfer auf künstliche Inseln zu verlagern, die sie inmitten von Gewässern anlegten. Die Zugänge zu diesen Dörfern befanden sich meist unter Wasser und damit außerhalb der Reichweite der Mithankor. Die meisten dieser Dörfer verfügten zudem über ein geheimes Refugium, eine unterirdische Zufluchtsstätte, das die Uhleb unterhalb eines Sees oder wie eben hier unterhalb eines Flusses errichteten. Im Notfall konnten sie das oberirdische Dorf aufgeben und sich in den Untergrund flüchten und dort ausharren, bis die Gefahr vorüber war. Über die Luftschlote erfolgte die Versorgung mit Atemluft.“
Wir sahen einander an. Bisher hatte ich den Uhleb nicht viel zugetraut, doch diese Geschichte übertraf alles, was ich von ihnen wusste. Es gehörte einiges an technischem Geschick dazu, einen Lebensraum unterhalb eines Sees anzulegen und mit einer ausgeklügelten Luftzufuhr zu versorgen. Am Ende waren sie gar nicht so unterentwickelt gewesen, wie wir immer vermuteten.
„Unglaublich!“ kommentierte ich Avaleas Worte.
„Ja, nicht wahr? Die Uhleb waren zum Ende hin sehr erfinderisch geworden. Manchmal stauten sie sogar Flüsse auf, um ihre Dörfer zu schützen.“
„Wie Biber“, warf Luke ein.
„Ja, Luke, wie Biber.“
„Schlussendlich hat es ihnen aber dann wenig genützt, oder?“ fragte Krister.
Avalea sah ihn ein wenig wehmütig an, bevor sie weitersprach. „Die Abhängigkeit von Wasser war die Schwachstelle an ihrem System. Solange es davon genug gab, befanden sie sich einigermaßen in Sicherheit. Doch Trockenperioden sind keine Seltenheit in diesen Breiten. Und Trockenheit bedeutete den Tod. Im Prinzip waren sie zum Aussterben verurteilt, immerhin gelang es ihnen, dies ein wenig hinauszuzögern.“ Sie bedachte uns mit einem betrübten Blick und ging weiter, ohne dieses Thema jemals wieder anzutasten.
Die alte Straße nach Kelvin, die die nächsten fünfzig Meilen dem Flusslauf folgte, verschlechterte sich zusehends, als wäre sie erst kürzlich für einen längeren Zeitraum überschwemmt gewesen. Wir waren jedoch froh, überhaupt so etwas wie einen einigermaßen begehbaren Pfad vor uns zu haben. Viele Stunden marschierten wir durch eintönige Buschlandschaft, als zu unserer Rechten und kurze Zeit später auch zur
Weitere Kostenlose Bücher