Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
einstigen Existenz. Allein die wenigen Stadtteile, die unmittelbar an die See reichten, wiesen noch Bewohner auf. Der Rest lag in Trümmern. Trümmer, die keinen mehr interessierten. Fischfang und Ackerbau schienen auf den ersten Blick der einzige Broterwerb zu sein, dem die Siedler nachgingen. Jedenfalls erspähte ich ein gutes Dutzend Segel auf der nahen See.
Die azurblau schimmernde Küstenlinie brachte Licht in meine getrübte Stimmung. Es fühlte sich an wie zuhause, auch wenn die wahre Heimat schon sehr weit hinter mir lag. Wie immer vermittelte die See ein Gefühl von Geborgenheit und Trost. Handelte es sich tatsächlich um dieselbe Tethys, die die Gestade Avenors umspülte? Schwer zu glauben.
Wir wurden mit fühlbar weniger Misstrauen empfangen als in Kellswater. Kein Wunder, immerhin handelte es sich bei Kelvin um eine deutlich größere Siedlung. Die Menschen hier lebten anders als in Kellswater in Backsteinhäusern. Das Material hierfür fand sich zur Genüge in der Trümmerwüste östlich des alten Stadtkerns. Avalea zufolge war dieser Teil der Stadt gänzlich aufgegeben worden. Nur im Westen und zur See hin war im Laufe der Jahrzehnte nach dem Krieg wieder ein zusammenhängendes Siedlungsgebiet entstanden.
„Hier findet sich mit Bestimmtheit jemand, der uns zum Taorsund bringt“, meinte ich zuversichtlich. „Boote gibt es jedenfalls zur Genüge. Wäre doch gelacht.“
„Ich kenne ein ordentliches Gästehaus“, schlug Avalea vor. „Jedenfalls handelte es sich um eines, als ich das letzte Mal hier war. Auch schon wieder gewisse Zeit her. Aber wenn ihr wollt, können wir dort unser Glück versuchen.“
Wir nahmen ihren Vorschlag kopfnickend an. In der Tat entpuppte er sich als Volltreffer. Die Unterkünfte erwiesen sich als erste Wahl. Allein wir schienen es nicht zu sein. Craig, der mittelalterliche, anfangs wenig freundliche Wirt, rümpfte nicht nur die innere Nase, als er uns vier Neuankömmlinge in Augenschein nahm, die um Quartier baten. Sahen wir bereits so verwildert aus?
„Für euch Männer gibt es hinter dem Haus Waschmöglichkeiten“, legte er uns kurz angebunden nahe. Diese Aufforderung galt offenkundig nicht Avalea. Sein wohlwollender Blick blieb für meinen Geschmack etwas zu lange an ihr haften.
„Wir werden sie gerne nutzen, danke“, gab ich knapp zur Antwort. „Wie viel verlangst du für die Unterkunft? Des Weiteren sind wir auf der Suche nach einem Fährmann. An wen können wir uns wenden?“
Craig sah mich skeptisch an. Er nannte einen Betrag, dessen Wert mir nicht geläufig war. Wieder einmal sorgten Kristers Schwarzperlen für mehr Aufsehen als beabsichtigt.
„Als Bezahlung können wir nur Schwarzperlen anbieten.“ Er legte lediglich eine davon auf den Tresen. Die noch nicht allzu lang zurückliegenden Ereignisse in Van Dien klangen auch in ihm noch nach. „Wird das genügen?“
„Ein nicht ungewöhnliches Zahlungsmittel“, meinte Craig mit zunehmender Freundlichkeit in der tiefen, brüchigen Stimme. Seine flache Hand legte sich schützend über die ebenmäßig schimmernde Perle. „Ja, das wird ausreichen. Einen Fährmann sucht ihr, sagst du? Kein Problem. So wie ich euch einschätze, wollt ihr zurück nach Nepondria. Sayward, richtig? Oder Wellitzheim?“
Wir sahen uns einen Moment unsicher an. Wovon sprach der Mann?
„Wellitzheim? Wo bitte schön liegt das?“
Nun war es an Craig, mich mit großen Fragezeichen in den Augen anzusehen. Avalea wollte etwas sagen, zog es aber dann vor, sich wortlos abzuwenden. Offenkundig beabsichtigte sie diesmal nicht, sich einzubringen. Aus welchen Gründen auch immer.
„Ihr wollt mich auf den Arm nehmen, richtig?“ Craig lächelte, wenn auch eine Spur säuerlich. „Späße“ dieser Art sagten ihm offensichtlich nicht zu.
„Dazu haben wir keinen Grund“, sagte ich mit fester Stimme. „Wir möchten an den Taorsund. Keine Rückfahrt.“
Diese Bitte schien ungewöhnlich zu sein.
„An den Taorsund? Was um alles in der Welt wollt ihr denn dort?“
Krister stieß mich mit dem Fuß an. Auch ohne seine Warnung würde ich gewiss nichts verraten haben, was uns hätte schaden können.
„Schwarzperlen sind unsere Leidenschaft.“ Etwas Besseres fiel mir in der Eile nicht ein. „Wir sind auf der Suche nach neuen Fanggründen. Und ein Gefühl sagt mir, am Taorsund welche zu finden.“
Jetzt sah Craig mich endgültig wie einen komplett Geistesgestörten an. Er schickte sich an etwas zu fragen, doch blieben ihm die Worte
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