Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Antwort.
Endlich setzte ich mich in Bewegung – um auch gleich wieder an Ort und Stelle zu verharren. Was ich zu sehen bekam, jagte mir eiskalte Schauer über den Rücken.
Der Länge nach warf ich mich zu Boden und robbte bedächtig und doch so schnell wie möglich auf den Erdspalt zu, der Krister, Luke und Avalea verschlungen hatte. Wirre Gedanken getrieben von nackter Angst und düsterer Vorahnung jagten einander. Auf allen Vieren, Kopf und Oberkörper dicht am Boden, erreichte ich den Rand des Grabens. Vor mir ging es unergründlich tief hinunter. Mein Herz setzte einen Moment aus. Die Zeit schien zum Stillstand gekommen zu sein. Schonungslos kam die Wahrheit über mich.
Der Erdspalt, aus dem Nichts aufgetaucht, erwies sich als nicht so groß wie ich ursprünglich annahm, jedoch tückisch genug, um alles zu verschlingen, was in seinen unheilvollen Einzugsbereich kam. Ich spähte hilflos in den bodenlosen Abgrund hinab und konnte nicht das Geringste da unten ausmachen, wie tief „da unten“ auch sein mochte.
Endlich erinnerte ich mich der Fähigkeit, mich zu artikulieren. Der erste Versuch, nach den Freunden zu rufen, war mehr ein Japsen, ein verzweifeltes Winseln, geboren in der aufkeimenden Ahnung, dass niemand einen Sturz in diese Tiefe überleben konnte. Doch dann fegte ich die düstere Vorstellung zur Seite und schrie mir die Trostlosigkeit der Situation aus dem Leib.
„Krister! Luke! Avalea!“
Starkes Echo drang an mein Ohr, das mich schlichtweg verdutzte und erst einmal innehalten ließ. Das schwarze Loch entpuppte sich offenbar als zwergenhafter Zugang zu einem unterirdischen Krater größeren Ausmaßes. Wie eine Luftblase unterwegs zur Wasseroberfläche bahnte sich dumpfe Hoffnungslosigkeit einen Weg aus den Tiefen meines verkrampften Innern. Noch hing ich am Rand des Abgrunds, lauschte angestrengt und versuchte den kleinsten Hauch einer Reaktion auf mein Rufen mit erwartungsvoll gespitzten Ohren aufzusaugen… doch da war nichts. Gar nichts.
Meine Hände ballten sich zu ohnmächtigen Fäusten, und ich begann auf den Erdboden einzuschlagen. Vielleicht machte er sich noch ein Stück weiter auf und riss mich ebenfalls in den Tod. Wieder und wieder schrie ich die Namen der verschwundenen Freunde. Ich konnte es nicht begreifen, nicht akzeptieren. Das durfte einfach nicht passiert sein! Vor einer Minute noch waren wir Seite an Seite gegangen… und einen kurzen Lidschlag später sollten sie tot sein? Einfach so? Das wollte ich um keinen Preis hinnehmen, ich wehrte mich mit Händen und Füßen gegen diese bitterste aller Wahrheiten. Niedergeschlagen sackte meine Stirn ab und kam auf dem aufgeheizten Sand zur Ruhe.
Dann riss mich eine winzige Stimme aus der Tiefe der Erde kommend aus der Lethargie. Mein Herz setzte einen Schlag aus bevor ich den Kopf über den Rand des Abgrunds brachte und lauschte. Ja, da war sie wieder. Es war Kristers Stimme! Und sie rief meinen Namen!
„KRISTER!“ Die ganze Erleichterung, die ein Mensch nur spüren kann, der einer tot geglaubten geliebten Person wieder begegnet, legte ich in diesen einzigen Ruf. Das Echo warf ihn mir um ein Vielfaches gebündelt wieder entgegen. Sogleich kam die Antwort.
„Jack!“
„Ja, ich bin hier!“ schrie ich hinunter. Wo sollte ich sonst sein, schoss es mir durch den Kopf, aber mir erschien es die einzige logische Antwort. „Seid ihr wohlauf?“
„Hier ist ein unterirdischer Teich“, schallte es empor. „Jack, ich kann dich sehen.“
„Wirklich?“ Ich hätte vor Erleichterung tanzen mögen. „Seid ihr verletzt? Ich dachte schon, ihr wärt tot!“
„Wir wären tot, würde hier nicht überall Wasser sein. Dem Teich sei Dank.“
„Ich hole euch rauf!“ rief ich, überzeugt, meinen in Not geratenen Freunden jetzt, wo sie lebten, auf jeden Fall helfen zu können.
„Keine Chance“, hörte ich Kristers ernüchternde Worte. „Wir sind gute fünfzig Meter unter dir.“
Nicht wahr! Wie sollte ich sie da nur herausholen? Selbst wenn ich alles Seil, das ich mit mir führte, zusammenknotete, würde es bei weitem nicht reichen. „Könnt ihr hochklettern?“
„Sieht nicht so aus“, antwortete Krister. „Es ist zu dunkel, wir sehen nur wenig. Das Gewölbe erscheint mir kugelförmig.“
Dann hörte ich Lukes deutlich leisere Stimme.
„Kommt hier rüber! Hier ragt eine Art Felsvorsprung aus dem Wasser.“
Eine Zeitlang hörte ich nichts mehr außer dem schwachen Plätschern von Wasser. Dann meldete sich Krister
Weitere Kostenlose Bücher