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Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Titel: Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Thiele
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Woldrog?
    Vergebens versuchte ich die Umrisse des Wesens auszumachen, die Kraft meiner Augen reichte bei weitem nicht aus, die konturlose Schwärze zu durchdringen. Es musste sich zweifellos um ein großes, verdammt hungriges Tier handeln, denn als seine Arbeit endlich von Erfolg gekrönt wurde, nahmen alarmierte Ohren wahr, mit welcher Leichtigkeit es die Knochen des jungen Moas knackte. Als unfreiwilliger Zuhörer der makabren Vorgänge dankte ich wiederholt der beruhigenden Tatsache, mich in luftiger Höhe und so weit wie möglich entfernt vom Erdboden zu befinden. Einer Kreatur, der es gelang, die Überreste eines vergrabenen Moas aufzuspüren, dürfte mit Sicherheit auch in der Lage sein, einen im Unterholz schlafenden Menschen ausfindig zu machen. Meine rechte Hand fand den beruhigend kühlen Schaft des Messers. Ich hoffte jedoch inständig, dass die Reste des Moas den Hunger des schmatzenden Geschöpfs ausreichend befriedigten. Nicht auszudenken, sollte es auch mich wittern und versuchen, den Baum zu erklimmen. Mucksmäuschenstill verharrte ich bewegungslos auf der Stelle. Wie gerne würde ich einen Blick auf den nächtlichen Besucher erhaschen! Allein zu wissen, wie er aussah, würde mir viel dabei helfen, ihn einzuordnen.
    Alsbald kehrte wieder Stille am Boden ein. Trotz angestrengten Lauschens konnte ich nicht feststellen, ob das Wesen sich entfernt oder vielleicht an Ort und Stelle zum Schlafen niedergelegt hatte. Mutiger geworden spielte ich für einen Moment mit dem Gedanken, eine der neuen Fackel zu entzünden und meinen Schutz bietenden Baum zu verlassen. Jedes Tier fürchtete Feuer. Solange die Fackel brannte, wagte ich zu behaupten, nicht gefährdet zu sein. Mein Verlangen, es zu sehen, überwand beinahe die Furcht davor. Letzten Endes siegte die Vernunft, welche mir suggerierte, kein Risiko eingehen zu dürfen. Von einem wilden Raubtier im Dunkeln angefallen zu werden konnte fatale Folgen nach sich ziehen, mit oder ohne Fackel.
    Irgendwann gab ich das Lauschen auf und entspannte mich wieder. Vergebens suchte ich den Nachthimmel nach Tauri ab. Der Gigant war bereits weitergewandert, über den Horizont hinunter in die Unsichtbarkeit.

20 AR-NHIM
     
    Undurchdringliche Finsternis umgab die Gefangenen in der Tiefe. Bleierne Niedergeschlagenheit erstickte jeden Ansatz von Zuversicht im Keim. Den dreien war die Ausweglosigkeit ihrer Lage bewusst. Dennoch verhielten sie sich bemerkenswert gefasst. Als die letzte Fackel erloschen war, befürchtete Krister einsetzende Panik, kopfloses Handeln. Aber dem war nicht so. Eine Zeitlang waren sie wie zu Salzsäulen gefroren an Ort und Stelle verharrt in der abwegigen Hoffnung, auch ohne Lichtquelle zu irgendwelcher Orientierung fähig zu sein. Doch man sah nicht einmal die sprichwörtliche Hand vor Augen. Tiefste Nacht umhüllte sie, tonlose Stille, erstickende Resignation. Ergeben legten sie das Gepäck ab und ließen sich nieder. Avalea bat mit zitternder Stimme, bei der Hand gehalten zu werden.
    „Was tun wir jetzt?“ stellte Luke in den Raum.
    Krister zuckte mit den Achseln, eine hilflose Geste, die niemand sehen konnte.
    „Ich weiß es nicht. Ich denke, wir werden trotz allem irgendwann versuchen, weiterzugehen.“
    Avalea schauderte es bei der Vorstellung, ihres wichtigsten Sinnes beraubt, durch ein gänzlich unbekanntes Nichts zu stolpern. Es war bereits im Lichte der Fackel unerträglich gewesen, nun aber, ohne Sicht und damit ohne jede Chance auf Orientierung durch ein schier grenzenloses System aus nicht enden wollenden Höhlen und Gewölben zu irren, durch ein unterirdisches Land, in das sich noch nie das Licht der Sonne verirrt hatte, kam es ihr ganz und gar unmöglich vor.
    „Ich will hier nicht sterben“, klagte Luke plötzlich, und seine trostlose Stimme verriet lähmenden Angstzustand.
    „Hör auf damit!“ rief Krister scharf. „So schnell stirbst du schon nicht.“
    „Ach ja? Vielen Dank auch noch dafür, dass du uns hierher gebracht hast. Würde es nach mir gegangen sein, wären wir schon vor Stunden umgekehrt. Die ganze Zeit bergab zu gehen war doch purer Schwachsinn!“
    Krister wollte etwas erwidern, schwieg aber betroffen. Lukes Worte bedrückten ihn mehr, als es die ganze Situation ohnehin tat. Noch mehr schmerzte die Einsicht, damit womöglich Recht zu haben.
    „Sei doch still, Luke!“ sagte Avalea. „Keiner hat Schuld. Es ist passiert. Aber noch sind wir nicht tot.“
    „Nur eine Frage der Zeit“, murmelte Luke mürrisch.

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