Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
die Vorstellung, mit seiner Äußerung vielleicht doch Recht zu haben, den Samen der Hoffnung keimen ließ. Zum hundertsten Male sah er sich nach allen Seiten um, konnte jedoch keinen Unterschied ausmachen. Für ihn blieb alles nuancenlos schwarz.
„Natürlich kann ich mich täuschen“, sagte Luke nach einer langen Weile. „Jetzt, wo ich erwarte, eine Ungleichheit auszumachen, erkenne ich auch keine mehr.“
„Wie dem auch sei, wir sollten der Sache auf den Grund gehen.“ Krister drückte Avaleas Hand und sie erwachte augenblicklich. Zögernd kam sie der Aufforderung aufzustehen nach und zog damit auch Luke in die Höhe. Sie zeigte sich von seiner „Entdeckung“ unvoreingenommen begeistert.
„Gehen wir doch einfach in diese Richtung“, schlug sie sogleich vor. Was haltet ihr davon? Wir können sowieso nicht für alle Zeiten hier sitzen bleiben.“
Sie ertasteten das Gepäck, legten es an und ergriffen sich anschließend wieder an den Händen. In einer Dreierreihe marschierten sie unsicher los, Luke an der Spitze, dann Avalea und schließlich Krister. In absoluter Dunkelheit zu laufen erwies sich komplizierter als erwartet. Beständig stießen die drei aneinander, traten sich auf die Füße oder stolperten über Unebenheiten.
„Laufen wir in die richtige Richtung?“ erkundigte sich Krister, nachdem eine seiner Meinung nach angemessene Zeit verstrichen war. Luke konnte darauf keine zufriedenstellende Antwort geben. Er wusste es selbst nicht. Die Tatsache, noch nicht gegen eine Wand gelaufen zu sein, bestärkte ihn jedoch in seiner positiven Annahme.
„Ja, ich denke doch“, antwortete er. „Können wir kurz mal stehen bleiben?“
Sie hielten an. Luke blickte zurück in die Richtung, aus der sie kamen und schließlich in die, in die sie gingen. War da ein Unterschied? Er kniff die Augen fest zusammen und öffnete sie wieder. Nein, da war nichts. Rein gar nichts. Sein Mut sank auf Grundeis, doch ließ er sich nichts anmerken.
„Okay, weiter geht’s.“
Und sie tasteten sich weiter voran. Unendlich lange Minuten verstrichen, ketteten sich aneinander und bildeten schließlich Ewigkeiten. Alles, was sie vernahmen, war das Scharren besohlter Füße auf felsigem Grund und allmählich stoßweise kommender Atem. Weder Avalea noch Krister wagten es, den tiefen Zweifel, den sie in sich spürten, in Worte zu fassen. Beide klammerten sich an die verschwindend geringe Hoffnung, dass Luke tatsächlich so etwas wie Lichtschimmer wahrgenommen hatte.
„Was ist?“ fragten Krister und Avalea wie aus einem Munde, als Luke plötzlich abrupt stehen blieb und beide in ihn hineingelaufen waren.
„Wenn ich auch bis eben noch nicht sicher war, ob ich meinen Augen vertrauen durfte, jetzt bin ich es. Seht ihr es nicht? Vor uns wird es heller. Ich werde wahnsinnig!“ Seine Stimme überschlug sich fast vor Freude.
Krister stellte noch immer nicht den geringsten Unterschied fest, sah aber keinen Grund, Lukes Worte anzuzweifeln.
„Erstklassig, Luke!“ rief er aufmunternd. „Ich sehe zwar überhaupt nichts, aber du bist ja für deine Adleraugen bekannt.“
Avalea, deren Wahrnehmung sich nicht von Kristers unterschied, drückte Lukes Hand so fest sie konnte. Sie mussten jedoch noch lange marschieren, bis sowohl Krister als auch die Skiava des unendlich schwachen Lichtscheins gewahr wurden.
Nun war es nicht mehr von der Hand zu weisen. Irgendwo vor ihnen, womöglich noch Stunden des Taumelns und Stolperns durch die Dunkelheit entfernt, musste sich ein Ausgang befinden. Oder zumindest eine Öffnung, ein Spalt, durch den Tageslicht drang. Aber welche Art Licht lag vor ihnen? Sie hatten zwar jegliches Zeitgefühl verloren, aber selbst wenn draußen helllichter Tag sein sollte, konnte es sich bei der vagen Dämmerung vor ihnen unmöglich um Sonnenschein handeln. Dazu waren sie einfach zu tief unterhalb der Erdoberfläche. Vielleicht drang es durch einen Schlot ein, einem ähnlichen, den sie hochgeklettert waren. Etwas anderes konnten sie sich nicht erklären, also hieß es abwarten und weitergehen.
Eine weitere Ewigkeit verging, bis sich die ersten schemenhaften Umrisse aus dem allmächtigen Schwarz herauslösten. Welch ein Genuss für ihre so lange erblindeten Augen! Sie liefen nun genau auf ein Licht zu, ein ungewöhnlich reines, diffuses Weiß, dessen Ursprung nicht mehr weit entfernt liegen konnte. Je näher sie ihm kamen, je mehr Augenlicht sie zurückgewannen, desto mehr beschleunigten sich ihre Schritte, desto
Weitere Kostenlose Bücher