Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
mit Wasser. Ich weiß, dass ein erwachsener Mensch einige Minuten braucht, um durch ihn hindurch zu schwimmen. Ihr wisst es natürlich nicht, aber meine Schöpfer legten großen Wert darauf, leistungsfähige Knechte zu schaffen. Mein Blut kann um ein Vielfaches mehr Sauerstoff aufnehmen als das gewöhnlicher Menschen. Die Angst vor dem Ertrinken ist ein starker Gegner, fürwahr, aber ich weiß ihn zu ermessen. Dadurch kontrolliere ich ihn. Die Aufgabe, die vor mir liegt, fürchte ich nicht mehr. Nun, Luke, darf ich um deinen Rucksack bitten?“
Verblüfft gab er ihn ihr. Sie nahm sein Gepäck lächelnd entgegen.
„Du solltest dich vielleicht entkleiden, was meinst du? Vollgesaugte Klamotten behindern dich nur beim Schwimmen.“ Dann wandte sie sich an Krister, der immer noch in Decken gehüllt vor ihr auf dem kühlen Grund der Grotte lag. „Wie weit ist es vom Ausgang des Tunnels bis zum Ufer?“
Krister wollte nicht glauben, was er da gerade hörte. Spielte sie ein Spiel, um ihm den abhanden gekommenen Mut zurückzugeben? Wenn ja, spielte sie es verdammt gut.
„Nur ein paar Meter“, gab er ihr zur Antwort. „Nicht der Rede wert.“
„Sehr gut.“ Sie bedeutete ihm mit fordernder Geste sich zu erheben, einer Aufforderung, der er schließlich nachkam. Immer noch lächelnd stopfte sie die Decken in die entsprechenden Rucksäcke, packte Lukes Klamotten und Schuhe dazu und schnallte sich alle drei um. Da stand sie nun, über und über beladen mit dem gesamten Gepäck, verwirrend beruhigende Zuversicht ausstrahlend. Dann wandte sie sich um und stapfte zielstrebig in den Teich hinein. Die Oberfläche des stillen Tümpels kräuselte sich und schlug kleine, plätschernde Wellen.
„Bist du sicher, dass du das tun willst?“ Krister stand einfach nur da und ließ sie gewähren. Was hätte er anderes machen sollen? Im Grunde war er ganz froh darüber, dass sie die Verantwortung für sich selbst übernahm, eine Wendung, die selbst er nicht zu hoffen gewagt hatte.
„Natürlich. Ihr kommt nach, wenn ihr euch soweit fühlt.“ Damit ging sie einen weiteren Schritt nach vorne und sank bis zur Brust ein. Für den Bruchteil einer Sekunde erfasste Krister den Anflug von lähmender Panik in ihrem Gesicht, doch ihre Selbstkontrolle gewann sogleich wieder die Oberhand.
„Kühl, das Wasser“, sagte sie mit zitternder Stimme.
„Ich gehe als erster“, meldete sich Luke plötzlich. Nur noch mit seiner zerschlissenen Hose bekleidet, folgte er Avalea ins Wasser.
Das war Krister ganz und gar nicht recht.
„Glaube mir, Luke, du wirst all deine Kräfte allein für dich benötigen. Am Ende zählt jede Sekunde. Und verschwende nicht einen Augenblick daran, umdrehen zu wollen.“
„Worauf du dich verlassen kannst.“ Doch er zögerte. „Willst du nicht auch gleich mitkommen? Dich hier alleine zurückzulassen gefällt mir nicht.“
Und nicht nur ihm. Krister selbst spürte ungestüme Regung, dem Reich der Ar-Nhim endlich für immer zu entfliehen. Je früher desto besser. Aber durfte er es sich schon zutrauen? War es nicht purer Leichtsinn, derart geschwächt diese gefährliche Aufgabe anzugehen? Alle Kräfte sammelnd, die er noch in sich fand, gab er sich den nötigen Ruck, dessen es noch bedurfte. Ohne über die möglichen Konsequenzen seines Handelns nachzudenken, tauchte er bis zum Hals neben Luke und Avalea ein.
„Wir schaffen es!“ Lukes Augen funkelten wild. Oder war es nur die Spiegelung der Lichtreflexe, die von der anderen Seite des Tunnels wie ein verheißungsvolles Versprechen lockten?
„Schwimm wie der Teufel!“ feuerte Krister ihn an. Sein eigener Kopf dröhnte noch immer, die Muskeln schmerzten. „Wage es nicht, umzudrehen! Wir würden uns gegenseitig behindern und gemeinsam absaufen!“
„Umkehren? Hierher zurück? Sag mal, spinnst du?“ Luke grinste. Die innere Anspannung merkte man ihm nicht an. „Mach dir keine Sorgen um mich.“
Die beiden Männer sahen sich an wie echte Brüder, die sie nicht waren, und Krister nickte dem Jüngeren unmerklich zu, als hätte dieser um Erlaubnis gebeten und wartete nur noch auf die Zustimmung des Älteren. Dann atmete Luke tief ein, nur einmal, und tauchte weg. Mit weit ausholenden Beinschlägen schlüpfte er in den Tunnel hinein und verschwand.
Krister wandte sich um. Avalea befand sich dicht hinter ihm, bepackt wie ein Maultier.
„Bist du sicher?“ fragte er ein letztes Mal.
Sie nickte.
„Denk jetzt nur an dich!“ gab sie ihm mit auf den Weg. Krister
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