Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
nickte ihr anerkennend zu, schluckte die Unruhe hinunter, die aus seinen Tiefen nach oben sprudelte und nahm sich die Zeit für einige tiefe Atemzüge, bevor er unter der Wasseroberfläche verschwand.
Luke flog in dieser Sekunde bereits wie ein Vogel auf das Licht zu, das Körper und Sinne umschmeichelte wie eine verheißungsvolle Droge. Sein Herz hämmerte wild. Er versuchte an nichts zu denken, alle Konzentration nur auf die Bewegungen zu lenken, die nötig waren, um ihn rechtzeitig auf die andere Seite zu bringen, wo das Weiterleben wartete.
In einigem Abstand folgte Krister. Hektische Arm- und Beinarbeit verriet die innere Anspannung, unter der er stand.
Luke kam bedeutend schneller voran als erwartet. Die Sehnsucht nach Licht und Wärme beflügelte ihn und schenkte ihm Kräfte, die er nicht kannte. Der Hunger nach Leben, den er in Stoney Creek so sehr vermisst hatte, verlieh ihm neue Willenskraft. So merkwürdig es ihm vorkam – vorkommen musste – aber das, was er gerade tat, erschien ihm als das Sinnvollste, das er in seinem bisherigen Dasein gemacht hatte. Im Kampf um das eigene Leben, welches er noch vor wenigen Wochen mit Überzeugung weggeworfen hätte, entdeckte er den lange ersehnten Sinn seiner Existenz. Eine Erkenntnis, die ihn trunken vor Selbstvertrauen machte, ihm die uneingeschränkte Gewissheit schenkte, dass seine Zeit jetzt erst richtig beginnen sollte.
Mit der Abnahme der Sauerstoffkonzentration in seinem Blut kehrte zwar schleichende Ernüchterung zurück, doch das aufgeputschte System funktionierte wie ein Uhrwerk und setzte die letzten Energiereserven dagegen, die sich noch finden ließen.
Und dann war Luke draußen.
Mehr überrascht als erfreut wand er seinen lethargisch werdenden Körper aus dem Tunnelmund und mühte sich der Oberfläche entgegen, die sich wie ein glänzend blauer Zerrspiegel unweit über ihm befand. Der erste tiefe Atemzug, der seine glühenden Lungen voll Sauerstoff pumpte, das gleißend helle Licht, welches wie eine heiße Klinge in die an ewige Dunkelheit gewohnten Augen stach, die wärmenden Strahlen der Sonne auf seiner kalten Gesichtshaut sowie das überströmende Glücksgefühl, dem dunklen Tod entronnen zu sein, all diese Eindrücke formierten sich zu einem Rausch, der seine physische Erschöpfung kurzerhand hinfort blies.
Alles in ihm sehnte sich danach, das Wasser zu verlassen, dem einladenden Ufer entgegen zu schwimmen. Dennoch zwang er sich wassertretend an Ort und Stelle zu verharren. Er wollte auf Krister warten, ihm nötigenfalls zu Hilfe eilen, sofern dies notwendig sein sollte. In diesem Augenblick bewunderte er ihn grenzenlos. Der Gedanke, noch einmal in dieses alptraumartige Gefängnis zurückzukehren – und sei es nur für wenige Minuten – erschien ihm so abwegig, so undurchführbar, jenseits aller Vorstellungskraft. Dennoch hatte Krister das schier Unfassbare getan und jenen ungeheuren Willensakt auf sich genommen, um ihm und Avalea den Weg in die Freiheit zu weisen. Und während die Achtung gegenüber seinem Stiefbruder immer weiteren Höhen entgegenstrebte, machte er unter sich eine Bewegung aus, entdeckte er Krister, der sich mit erschreckend matter Armarbeit aus dem Tunnel kämpfte, als hinge er irgendwo fest.
Luke zögerte nicht, er tauchte ihm sofort entgegen und musste alarmiert feststellen, dass Kristers Bewegungen erlahmt waren. Sein Oberkörper hing bis zur Hüfte aus der beinahe kreisrunden Öffnung heraus, während seine beiden muskulösen Arme erschreckend kraftlos über dem Kopf trieben, als wären sie mitten in der Bewegung erstarrt. Die großen Augen waren weit aufgerissen, der gesamte Gesichtsausdruck spiegelte eher Erstaunen als Entsetzen wider. Die Platzwunde auf der Stirn sah grotesk aus, wie mit Wasserfarben aufgemalt. Einige wenige kleine Luftblasen entwichen seinem weit geöffneten Mund und trieben träge der luftigen Welt entgegen.
Dann war Luke heran. Er packte Krister unter den Armen, zerrte ihn mit einem einzigen Ruck gänzlich heraus und paddelte mit immer schwerer werdenden Beinen nach oben. Die Angst, zu spät an der Wasseroberfläche anzukommen, trieb ihn noch einmal zu Höchstleistungen an, die er sich selbst nicht mehr zugetraut hätte. Kristers Kopf peinlich genau über Wasser haltend, ruderte Luke ans Ufer und schleppte den regungslosen, schweren Körper, den er den Klauen des nassen Todes entrissen hatte, an Land. Schwer atmend, ohne sich eine Pause zu gönnen, machte er sich sofort an die
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