Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
vors Gesicht und suchte nach einer Zuflucht, als Krister vor mir stand und mich an den Handgelenken packte. Ich sah in sein amüsiertes Gesicht. Doch es war nicht mehr Krister. Es war Avalea. Sie lachte vergnügt. Um uns tobte ein grandioses Unwetter – und sie lachte. Sie trug nicht mehr ihr karmesinrotes Kleid. Dafür steckte sie in einer Art Kampfanzug, ähnlich dem der Soldaten Hyperions, weite, lange Hosen, ein umso engeres Oberteil, das ihre Brüste auf groteske Weise zusammendrückte. Sie ließ meine Arme los und entfernte sich rückwärts laufend von mir. Der Zeigefinger ihrer rechten Hand deutete auf mich, ihr Gelächter steigerte sich bis zum Wahnsinn.
Mir wurde bewusst, dass sie nicht auf mich zeigte, sondern an mir vorbei. Ich wandte mich um. Hinter mir stand Rob. Ich erkannte aber nur sein Gesicht. Der restliche Körper gehörte nicht mehr zu ihm. Sein Kopf saß auf dem Körper eines schrecklichen Monsters, das nur noch entfernt an menschliche Gestalt erinnerte. Vier Gliedmaßen wie bei einem Menschen. Aber nein, da war ein weiteres Extremitätenpaar zusammengefaltet unterhalb seiner Achseln, das aussah, wie die Fangarme einer grünen Mantis. Ich schlug die Hände vor den Mund, wollte schreien, brachte jedoch keinen Laut hervor. Das Wesen schüttelte den Kopf, was entfernt an die missbilligende Geste eines tadelnden Vaters erinnerte.
Wem galt der Vorwurf? Mir? Avalea?
Ich konnte meinen Blick nicht von diesem Ungeheuer abwenden... dann war es vorbei. Der dunkle Wald um mich herum löste sich auf, das grauenvolle Wesen mit Robs Kopf verschwand ebenso wie Avalea. Dann ein Schrei – unmenschlich, hohl, durchdringend, als käme er aus den tiefsten Tiefen des Universums…
Was für eine furchtbare Vision! Ich stand auf, legte das Gepäck an und machte mich auf die Suche nach Schatten. Es war immer noch zu heiß, um wieder aufzubrechen. Noch ganz ergriffen von den langsam abklingenden Eindrücken des wüsten Traums, marschierte ich an der Felsformation entlang. War es eine echte Vision gewesen? Wenn ja, was bedeutete sie? Grübelnd machte ich Halt... und bemerkte, direkt vor einem dunklen Felsspalt zu stehen, allem Anschein nach dem Zugang zu einer sich dahinter befindlichen Höhle.
Ich stutzte.
In der Tat, eine Höhle.
Der Spalt, der ins Innere führte, reichte etwa zwei Körperlängen hoch und war ungefähr halb so breit. Ich dachte sogleich ganz praktisch. Vielleicht befand sich Wasser darin, eine unterirdische Quelle. Keine Seltenheit. Der Monteskuro zuhause in Avenor präsentierte sich durchlöchert wie ein Käse, ein wahrer Traum für Höhlenforscher. Ich selbst hatte mich nie dorthin vorgewagt, erinnerte mich aber an Erzählungen anderer, die davon zu berichten wussten. Ein ganzes Netz unterirdischer Ströme ergoss sich in den Tiefen des Berges.
Konnte das auch hier so sein? Das ließe sich herausfinden. Wenn nicht, würde die Höhle auf jeden Fall kühlen Schatten spenden und die kommenden heißen Stunden angenehmer gestalten helfen. Ich beschloss, hineinzugehen. Eine feine Sache, jetzt über Fackeln zu verfügen. Dass sie mir so schnell dienlich sein sollten, hätte ich nicht geglaubt.
Mit Hilfe der Feuersteine entfachte ich eine Flamme und im Nu fing der mit Moafett durchtränkte Stoff Feuer. In der Rechten hielt ich den schlagbereiten Stab und schlüpfte durch den Spalt ins Innere der Höhle. Wie viele hatten Rob und ich zusammen schon erkundet? Unzählige. Die langen Felsenküsten Avenors sind durchzogen von Höhlensystemen und unterirdischen Labyrinthen jeder Art und Größe. Hin und wieder gab es dort Interessantes zu entdecken. Beispielsweise die Skelette verendeter Mamoras, die bei Sturmflut hineingetrieben waren, den Weg heraus nicht mehr fanden und bei Ebbe schließlich einen qualvollen Tod starben. Bizarre Kalkgerippe toter Oktopoden, die glänzten wie Neuschnee an gefrorenen Gebirgshängen. Zersplitterte Wrackteile gesunkener Boote. Und was wir auf Radan gefunden hatten, setzte all dem die Krone auf! Eine simple Quelle frischen Wassers würde hier allerdings bei weitem genügen.
Das Innere der Höhle wirkte auf den ersten Blick – und soweit das hereinfallende Tageslicht reichte – relativ groß. Mir fiel das unbekannte Raubtier ein, das die Reste des Moas ausgegraben hatte und ich wurde bedeutend vorsichtiger. Den eisernen Stab im Anschlag ging ich Schritt für Schritt voran und mit gespitzten Ohren voran.
Nichts zu sehen und nichts zu hören.
Geräuschvollen Schrittes
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