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Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Titel: Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Thiele
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Aufzeichnungen von Radan hatte ich nur wenig über sie erfahren und mein besonderes Interesse galt ihnen von Anfang an. Ich brannte darauf, mehr darüber von Éi-urt-tuay zu erfahren. An dieser Stelle allerdings stockte sein Redefluss und er blickte mich prüfend an.
    „Ich nehme an, du spürst, worüber ich jetzt sprechen möchte, Sennt-ryi“, sagte er wehmütig. „Ich nehme deine Erregung wahr, o ja, natürlich, es muss so sein, denn nun beginnt der Teil meiner Erzählung, der dich betreffen wird, ja ja.“
    Ich war tatsächlich aufgeregt, regelrecht aufgewühlt, mehr, als ich selbst verstand. Zum wiederholten Male konnte ich mich des beunruhigenden Verdachts nicht erwehren, in meinem Körper noch ein weiteres Ich zu beherbergen, das mehr und mehr Einfluss verlangte. Schon in den Visionen, die mich in vielen ruhelosen Nächten plagten, schien mich manchmal etwas darauf hinweisen zu wollen, aber die Angst vor Bestätigung dieses Argwohns hatte mich jene Vermutung bisher immer erfolgreich verdrängen lassen.
    Die plötzliche Aufwallung von Nervosität und Hektik beim Gedanken an die Ar-Nhim verwirrte mich, und es kam mir so vor, als ergriff das andere Ich zum allerersten Mal die Oberhand. Ich trat hinter den Vorhang meiner vertrauten Existenz zurück und machte die Bühne frei für einen anderen, einen Fremden, auf dessen Erscheinen ich – und es fiel mir wie Schuppen von den Augen – seit langem von wem auch immer vorbereitet worden war.
    Éi-urt-tuay schien dies auch zu spüren. Das Erstarken meines anderen Ichs versetzte ihn in mächtige Nervosität.
    „Oh Sennt-ryi, Wächter der Traumzeit, es ist soweit. Éyllas-Áundri wird wieder frei sein und wir werden gemeinsam anknüpfen an die Alte Zeit. Hörst du mich, Sennt-ryi, Sohn der Eyllu-err-meskh-ul? Zeig dich deinem erwählten Volk, gib uns ein Zeichen!“
    Bis dahin verstand ich jedes Wort, das Éi-urt-tuay sprach, doch dann verfiel er in unverständliches Kauderwelsch, das sich phasenweise so anhörte, als versuchte jemand mit geschlossenem Mund zu schreien. Je länger er diese merkwürdigen Laute von sich gab, desto mehr erstarkte der Sennt-ryi. Ich ließ es widerstandslos geschehen, fühlte mich wie durch eine geheimnisvolle Droge sedatiert, auf verwirrend beruhigende Weise schwerelos, als nähme man mir zum Dank für kooperatives Verhalten die tonnenschwere Last meines eigenen Schicksals von den Schultern. Eingesponnen in einen Kokon der Stille legte ich mich zur Ruhe und schloss schläfrig beide Augen. Angenehme Müdigkeit umspülte mich wie sommerwarmes Wasser in den seichten Sandbuchten der December Bay, und ich glitt tiefer und tiefer hinab in die dunkle Unergründlichkeit schwindenden Bewusstseins.
    Als sich meine Augen wieder öffneten, wusste ich, ihnen nicht den Befehl dazu gegeben zu haben. Doch nahm ich es nachgiebig hin, als ginge mich das alles nur am Rande etwas an, als überwachte jemand die gesamte Situation, dem ich voll und ganz vertrauen durfte und der die volle Kontrolle besaß.
    Ich spürte, wie ich mich erhob, ohne es zu wollen. Mit Entsetzen musste ich hinnehmen, nicht mehr Herr über meinen Körper zu sein. Doch das Erschütterndste sollte noch folgen. Ich hörte mich plötzlich sprechen, obwohl der Mensch in mir stumm blieb.
    Jemand anderes hatte die volle Gewalt über mich erlangt!
    Mit einem Schlag platzte die seidenweiche Hülle, in die ich gerade noch eingewickelt war, wie eine Seifenblase. Sämtliche Warnsysteme, über die ich noch verfügte, schlugen an.
    Von Panik ergriffen wollte ich reagieren, mich widersetzen, und befahl meiner rechten Hand, den Stab zu greifen… doch sie reagierte nicht. Sie hing lahm und steif wie paralysiert herab und bewegte sich keinen Millimeter.
    Ich versuchte das Reden einzustellen, zwang mich dazu, den Mund zu schließen. Es gelang nicht. Bestürzt musste ich zur Kenntnis nehmen, wie Teile meiner Visionen, meiner plagenden Alpträume, Realität wurden. Ein anderes Wesen, das so lange in mir geschlummert hatte, der Sennt-ryi, der Wächter der Traumzeit, übernahm die Gewalt und drängte mich, den Menschen Jack Schilt, in den Hintergrund. Wie ein stummer Beobachter blieb mir nichts als die Rolle des passiven Zuschauers, der zwar verstand, was um ihn herum vorging, aber über keinerlei Einfluss verfügte.
    Ich teilte meinen Körper mit einer anderen, einer zweiten Existenz. Diese nicht mehr von der Hand zu weisende Erkenntnis traf mich mit der Härte eines Keulenschlags, obwohl der Verdacht

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