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Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Titel: Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Thiele
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mein Köcher mit den Pfeilen, ja sogar der Stab war mir geblieben. Nichts fehlte.
    Ein unvorsichtiger Golbat, der sich zu weit von seiner Erdhöhle entfernt hatte, bescherte mir eine ersehnte Mahlzeit. Ich musste mich genau zwischen ihm und seinem Bau befinden. Unentschlossen und verunsichert kauerte er sich in eine wenig Schutz bietende Senke, fixierte mich, darauf wartend, dass ich an ihm vorbeistrich, um sich danach schnurstracks in Sicherheit zu bringen. Doch ich hatte ihn schon erspäht und ins Visier genommen. In letzter Sekunde gab er seine Deckung auf, womöglich veranlasste ihn der in Windeseile in Anschlag gebrachte Bogen doch noch dazu. So traf ihn der Pfeil nicht wie beabsichtigt direkt in der Körpermitte sondern in den linken Hinterlauf und fegte das überraschte Tier mit lautem Kreischen – Skirret-Schreie, in Not geboren, ähneln verblüffend den Rufen aufgescheuchter Möwen – von den Beinen. Die Wucht des Pfeils durchschlug den Knochen und trennte das Bein teilweise vom Körper ab. Panikartig schreiend versuchte sich das verletzte Tier so gut wie noch möglich aus dem Gefahrenbereich zu bringen, die kleinen Pfoten seiner drei noch funktionsfähigen Läufe schabten und kratzten verzweifelt auf dem harten Boden, doch war ich flink heran und beendete seine Tortur mit einem kräftigen Hieb des Eisenstabs. Mit letztem Fiepen hauchte der Golbat sein Leben aus, dann streckte sich der magere Körper. Ich ärgerte mich, ihn nicht gleich mit dem Pfeil tödlich getroffen zu haben. Nichts ist unangenehmer, als einem anderen Lebewesen unnötig Leid zuzufügen.
    Ungestümer Hunger zwang zu vorzeitigem Abschluss des Tages. Die Xyn stand durchaus noch nicht tief, es mochte sicherlich noch vier bis fünf Stunden hell bleiben, aber ich wollte meine Mahlzeit deutlich vor Einbruch der Dunkelheit hinter mich gebracht haben. Ich nahm mir vor, morgen ganz früh aufzubrechen, um die verlorene Zeit wieder wettzumachen – und um schlechtes Gewissen zu beruhigen. Es gestaltete sich jedoch erheblich schwieriger, einen geeigneten Schlafplatz zu finden. Auf dem Boden schlafen wollte ich unter allen Umständen vermeiden. Bäume aber waren weit und breit nicht in Sicht. Die Hügelkette der Ithra lag zum Greifen nahe und womöglich hätte ich sie noch am heutigen Tag erreicht, doch verlangte mein Magen so drängend nach Nahrung, ich konnte ihm nicht länger widersprechen. Ein verdorrter junger Baum, lange vor seiner Zeit der unbarmherzigen Trockenheit erlegen, kreuzte schließlich meinen Weg. Ohne noch eine Minute zu verlieren brach ich das dürre Stämmchen in handliche Stücke und entfachte mitten in der Steppe ein prasselndes Feuer. Den Golbat ließ ich so gut wie möglich ausbluten. Gehäutet und ausgenommen wirkte er noch mickriger. Mir war klar, ein schwer kalkulierbares Risiko einzugehen, mich abseits jeder Deckung derartig bemerkbar zu machen. Das noch nicht völlig vertrocknete Holz erzeugte eine pechschwarze, kerzengerade Rauchsäule, die meilenweit sichtbar sein musste. Noch vor kurzem hätte ich es nicht gewagt, aber viele Dinge hatten sich seit Beginn der Reise verändert. Sogar das Wissen, vor wenigen Tagen über die ersten Opreju meines Lebens gestolpert zu sein, die sich womöglich noch immer irgendwo hier in der Nähe aufhielten, beunruhigte mich nicht ausnehmend.
    So verrückt es klingen mochte, aber die Erkenntnis, meinen Körper mit der fleischgewordenen Version eines Ermeskul zu teilen, verlieh mir das zweifelhafte Gefühl, nicht völlig allein zu sein. Vielleicht spekulierte ich instinktiv schon damals darauf, aufgrund dieser Tatsache unter einer Art Schutz zu stehen. Sollte Éi-urt-tuay Recht haben und in mir existierte tatsächlich der letzte Sentry seiner Art, durfte ich wohl wirklich davon ausgehen, dass es den Ermeskul etwas bedeuten musste, ihn und damit unweigerlich auch mich zu beschützen. Dieser Gedanke beschäftigte mich ohnehin die ganze Zeit. Ich hatte nicht den geringsten Anhaltspunkt, ob und wie mir die Ermeskul im Falle einer Gefahr von Leib und Leben beistünden. Die bloße Ahnung bereitete allerdings perverse Genugtuung. Sie standen in der Pflicht. Ich war sicher, sie würden mich nicht ohne weiteres verrecken lassen.
    Während der Golbat auf seinem hölzernen Spieß über dem Feuer vor sich hin brutzelte, beobachtete ich aufmerksam meine nähere Umgebung, das pfannkuchenplatte, nahezu unnatürlich ebene Land im Grenzgebiet zwischen Uhleb und Ithra. Kein Zeichen von Leben rührte sich.

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