Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Gedächtnis, seine schlanke, langgezogene Form, die Gabelung am westlichen Ende ähnlich der Schwanzflosse eines Fisches. Südlich der Hügelkette, die die natürliche Grenze zwischen Uhleb und Ithra darstellte, befand er sich. Der Fluss Tares, der aus seinen östlichen Gestaden strömte, um sich nach einem großzügig geschwungenen Bogen in den Taor zu ergießen, nur wenige Meilen vor dessen riesigen Mündungsgebiet, welches wir erst wenige Tage zuvor durchquert hatten. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Wie viel Zeit trennte mich von Krister, Luke und Avalea? Drei Tage? Vier? Ich tippte auf letzteres. Und doch erschien es viel länger. Merkwürdig, wie unterschiedlich lang kleine Zeiträume erscheinen, betrachtet man sie aus verschiedenen Perspektiven. Furchtbar, welche Konsequenzen Fehlentscheidungen nach sich ziehen können. Fehlentscheidungen wie jene, um Zeit zu sparen nicht dem Tares gefolgt zu sein, sondern den gefährlicheren Weg quer durch Uhleb gesucht zu haben.
Während sich weit über meinem Kopf der endlose Zug der Vossas nach Uhleb hinein ergoss, kraxelte ich wieder hinab ins Lager. Die herannahenden Schatten der Nacht vereinigten sich zielstrebig und geräuschlos zu tiefer Dunkelheit. Schon zeigten sich Sterne. Keine Spur von Tauri. Einige ziemlich dunkle Stunden lagen also vor mir. Gut. So war ich vor neugierigen Blicken geschützt.
Unweigerlich kehrte meine Erinnerung zurück zur letzten Nacht, zu dem unheimlichen Wesen, das um meinen Schlafbaum gestrichen war und mit Leichtigkeit die Knochen eines Moas geknackt hatte. Ob es sich um einen Woldrog gehandelt hatte? Womöglich. Er musste auf jeden Fall über ausgezeichneten Geruchsinn verfügen, sonst wäre es ihm nicht gelungen, an die Überreste des vergrabenen Vogels zu gelangen. Ein Geruchsinn, der durchaus in der Lage sein durfte, auch mich zu wittern. Vielleicht aber handelte es sich um irgendein Steppenraubtier, das hier im Hügelland nicht vorkam.
Mit der Dunkelheit kam die Kälte. Ich wickelte mich in die kostbare wenn auch vor Dreck starrende Decke, um meinen Körper warm zu halten. Entgegen aller Erwartungen spürte ich nicht die geringsten Anzeichen einer Erkältung. Messer und Stab platzierte ich in Griffnähe und legte mich nieder. Womöglich wäre es sinnvoll gewesen, ein Feuer zu entfachen, um etwaige Woldrogs auf Distanz zu halten. Doch die Furcht vor den Opreju, denen ich nur um Haaresbreite entgangen war, hielt mich davon ab. Sie selbst beherrschten dieses Element, verspürten also keine Angst davor, und letzten Endes würde ich sie damit nur anlocken. Meine Gedanken drehten sich unruhig im Kreis, jeder Laut ließ mich aufschrecken. Noch lange lauschte ich argwöhnisch den Geräuschen der Nacht, bevor meine Lider schwerer wurden und die Macht des Schlafes zur Ruhe zwang.
Mächtig durstig erwachte ich. Die Sonne war bereits aufgegangen und vertrieb eifrig die die Kühle der Nacht. Frischer Morgenwind spielte in meinem Haar. Feuchtigkeit lag in der Luft, die Decke fühlte sich klamm an. Nur einige wenige Augenblicke erlaubte ich mir, um gänzlich wach zu werden. Heute galt es, nicht nur ein gutes Stück Weg in Richtung Sokwa hinter mich zu bringen, sondern vor allem Wasser zu finden. Und auch der Magen meldete schon wieder Ansprüche. Ich warf einen Blick gen Himmel. Logischerweise waren die Vossas verschwunden, und doch hätte ich mich gefreut, sie zu sehen.
Den letzten Schluck aus dem Wasserbeutel nehmend brach ich auf. Ithras Hügel gedachte ich so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Leider fanden sich nicht die geringsten Anzeichen eines Tierpfades oder gar eines begehbaren Weges, also wagte ich mich auf gut Glück in das Bergland hinein, das, so wusste ich, nur wenige Meilen breit war, um danach in eine ausgedehnte Hochebene überzugehen, die bis zum Sokwa und darüber hinaus reichte. Einige Meilen. Das klang geringfügig, aber mir war klar, wie einfach man sich dennoch heillos verirren konnte.
Es ging stetig bergan, schroffe, sandsteinfarbene Felsen wuchsen zu beiden Seiten wie drohende Riesen empor. Ich marschierte in südlicher Richtung voran, so gut es ging, musste den Kurs aber mehr und mehr nach Osten verlagern. Die Gegend gefiel mir. Was für eine wohltuende Veränderung nach den letzten Tagen öden Flachlands.
Die Felswände reflektierten unaufhörlich das Geräusch meiner Schritte, was ich als beruhigend empfand. Ein einsamer Greif kreiste weit über mir auf der Suche nach Nahrung. Er musste wohl
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