Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Meter, der mich dem See näher brachte. Bald bestand er nur noch aus trockener, bröckelnder und lehmiger Masse, die sich als mehr oder weniger instabil erwies, abhängig vom Grad des Gefälles.
Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, um welch erosionsgefährdetes Gebiet es sich handelte, geriet der Erdboden unter mir in Bewegung. Instinktiv wollte ich zurückspringen, kapierte jedoch in Sekundenschnelle, dass es diese Option nicht mehr gab, denn auch hinter mir löste sich das Erdreich. Die rote Staublawine, die ich lostrat, beförderte mich in Nullkommanichts auf meinen Hintern und ich glitt hilflos schreiend immer schneller und schneller zu Tal. Auf der Suche nach Halt krallten sich meine Finger in das Erdreich um mich herum. Dabei entglitt mir mein Stab, ich empfand in diesem Moment aber nicht das geringste Gefühl des Verlustes. Der ganze Berghang schien abzugehen. Meine Hände durchpflügten den zu Tal rasenden Erdboden und schlugen an unzähligen Kanten blutig. Hätte sich das Gefälle weiterhin gesteigert und den Erdrutsch damit noch weiter beschleunigt, wäre ich unweigerlich von den staubigen Massen überrollt und lebendig begraben worden. Doch dem Himmel sei Dank erreichten sie zu keiner Zeit bedrohliches Tempo, da sich die Hangneigung abzuflachen begann und mit ihr die Geschwindigkeit meiner unfreiwilligen Rutschpartie. Nur Sekunden später verlangsamte sich die Fahrt schon wieder, und ich kam auf die Füße. Noch eine Zeitlang stolperte ich abwärts, bis der ganze Spuk endlich vorbei war und die Hauptmasse der Schuttlawine zum Stillstand kam. Eine dichte Wolke aus rotem Staub erreichte mich mit kurzer Verzögerung, hüllte mich ein und raubte jegliche Sicht.
Unsicher blieb ich stehen und lauschte misstrauisch dem Raunen des noch nicht ganz zur Ruhe gekommenen Geländes. Doch außer einigen Brocken aus Erde und Gestein, die vorbei kollerten, entspannte sich die Situation. Bald lichtete sich der rote Nebel, und ich sah meine Umgebung wieder. Mein erster Blick wanderte nach oben, in die Richtung, aus der ich gekommen war. Ich musste gute fünfzig Meter gerutscht sein, wie die Schneise des Flurschadens eindeutig belegte.
Mit hastigen Schritten entfernte ich mich aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich, entdeckte unterwegs zu meiner Freude den zwischen Felsbrocken verkeilten Stab und blieb erst wieder stehen, als ich festen Boden unter den Füßen spürte. Erneut warf ich einen Blick zurück. Aus der jetzigen Perspektive sahen die Spuren, die der Erdrutsch hinterlassen hatte, harmlos aus, beinahe nicht erkennbar. Doch wusste ich sehr wohl, mit einem blauen Auge, sprich zerrissenen Hosen und aufgeschürften Armen und Beinen davongekommen zu sein. Es hätte durchaus anders ausgehen können.
Mit zunehmender Vegetation stabilisierte sich die Bodenbeschaffenheit und meine Trittsicherheit nahm zu. Ich nutzte das Gefälle des Geländes und bewegte mich mehr springend als laufend voran. Zuletzt erreichte ich den Waldgürtel, der den Triassischen See wie einen grünen Schild umgab. Dichtes Buschwerk verwehrte weiteres zügiges Vorankommen, und ums andere Mal leistete mein Stab hervorragende Dienste. Mit seiner Hilfe schlug ich Schneisen in das ansonsten undurchdringliche Dickicht, welches sich zum Ziel gesetzt haben musste, Eindringlinge am Erreichen des Seeufers zu hindern oder es zumindest so lange wie möglich hinauszuzögern.
Hundert Meter über mir thronten die Kronen riesiger Bäume, die jeden Zentimeter des Firmaments bedeckten. Vorhänge grünen Mooses, dichtes Gewirr aus Kletterpflanzen jeglicher denkbaren Art versperrten das Weiterkommen. Dornenbewehrtes Gestrüpp griff von allen Seiten nach mir und ritzte die Haut an unzähligen Stellen. Die kleinen Wunden juckten wie der Teufel, was meinen Groll auf die widerspenstige Flora nur noch steigerte.
Wie ein Irrsinniger hieb ich mit dem Stab um mich. Schweiß lief in Strömen und reizte die geschundene Haut nur noch mehr. Wie sehr ich ein Bad in angenehm temperiertem Seewasser herbeisehnte! Nicht nur um meine Wunden zu reinigen und zu kühlen.
Glücklicherweise lichtete sich das aufsässige Gesträuch nach und nach. Ein gangbarer Weg durch das Labyrinth aus knorrigen Stämmen der Jahrhunderte alten Bäume wurde sichtbar. Mir war klar, südwestlichen Kurs einschlagen zu müssen, um das westliche Ende des Sees zu erreichen. Dennoch zog ich es vor, den Wald so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Es mochte wohl günstiger sein, sich entlang des
Weitere Kostenlose Bücher