Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Anfänge der Kolonisation. Es sah alles so echt aus, so glaubhaft. Ich spürte meine Zweifel weichen. Was in den vergangenen Nächten geschehen war, ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Ich war ein neuer Mensch geworden, streifte eine alte Haut aus Lug und Trug ab. Was auch immer unter ihr zum Vorschein kommen mochte, eines war klar: ein Zurück gab es nicht mehr. Dieser Prozess war unumkehrbar. Noch begriff ich die Tragweite dieses Ereignisses nicht, aber etwas war in Bewegung geraten, der erste Stein ins Rutschen gekommen, ein kleiner nur, aber er genügte um einen unaufhaltsamen Erdrutsch in Gang zu setzen, der donnernd zu Tal gehen und alles mit sich reißen würde, was ihm im Weg stand.
Ich sah auf, als hätte mich ein Geist berührt. Verstand ich schon, was vor sich ging? Natürlich nicht. Ich befand mich noch ganz am Anfang, aber mir dämmerte es dennoch. Etwas Großes zog herauf.
Fröstelnd raffte ich die Decke fester um die Schultern, als mein Blick wieder auf die Karte fiel, die das Xyn-System darstellte. Sieben Planeten. Sieben statt sechs. Ein unbekannter namens Pangäa hatte sich dazugesellt, von dem ich noch nie etwas gehört hatte, einer ehemals blau kolorierten Kugel von ungefähr der gleichen Größe Gondwanas. Deutlich kleiner als Oodis oder gar Tauri, der enorme Ringplanet, aber größer als Taran, Belfeg oder Itiko, die drei kleineren Gestirne des Xyn-Systems. Sieben Planeten... warum war er mir unbekannt? Wenn er existierte, wovon ich ausging, wieso hatte ich ihn noch nie am Firmament ausgemacht?
Die Antwort darauf dämmerte mir im nächsten Moment. Natürlich! Weil er mir nie gezeigt worden war. Der Nachthimmel wimmelte von unzähligen Sternen. Warum sollte nicht einer dieser blassen Lichtpunkte Pangäa heißen? Sehr wahrscheinlich sogar.
Müde und mit schweren Lidern löschte ich endlich die Kerze und streckte mich auf meiner Bettstatt aus. Die Dunkelheit tat den geschundenen Augen gut. Mir wurde erschreckend klar, nichts erfahren zu haben, was dabei hätte helfen können, etwas über Robs Aufenthaltsort herauszufinden. Eine ganze Woche war er nun schon fort. Vater hatte sich mehrfach erkundigt, ob ich nicht etwas wüsste, ob er am Ende nach Cape Travis verschwunden war, diesem Mädchen hinterher, in das er sich letzten Sommer verguckt hatte. Diese Erklärung erschien einleuchtend, und ich bestärkte ihn in diesem Glauben. Dennoch glaubte ich keine Sekunde daran. Mein Vater schien sich wenig Sorgen zu machen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass sich sein ältester Sohn für einige Tage auf und davon gemacht hätte. Aber ohne Abmeldung? Ohne ein Wort? Das passte nicht zu ihm.
Der herannahende Schlaf griff nach mir. Doch noch weigerte ich mich, ihm nachzugeben. Was sollte ich nur tun? Wie sollte ich Rob aufspüren? Mit jeder Stunde, die verging, wurde mir sein endgültiger Fortgang bewusster, fühlte ich immer eindringlicher, dass er nicht mehr zurückkommen würde. Konnte ich dann so einfach hier liegen und schlafen?
In jener Nacht glaubte ich endlich zu verstehen, warum mich jene Träume mit beunruhigender Regelmäßigkeit überfielen. Wieder stand mein Bruder im Mittelpunkt, er rannte wie ein Gejagter über endlos weite Wiesen. Ich sah sein vor Anstrengung verzerrtes Gesicht, das schweißnasse Haar, welches wirr an seinem Schädel klebte. Und schwarze Tränen, die in Strömen aus weit aufgerissenen Augen rannen.
Dann verlor er sich in der Entfernung, bis mir klar wurde, wie ein Vogel weit über ihm zu schweben, immer höher hinaufsteigend in ein grenzenloses Firmament. Am Horizont machte ich Berge aus, eine Gebirgskette mit hohen, schneebedeckten Gipfeln. Dahinter formte das Meer eine Bucht, die weit ins Land ragte. Dort an der Küste, umspült von eisgrauen Wellen, lag eine große Stadt, die von der Küste bis hinauf in die Berge reichte. Ein Meer aus schneeweißen Häusern. Ich flog direkt darauf zu, hatte Rob weit hinter mir gelassen. Die Wolken rissen auf und gleißende Sonnenstrahlen beleuchteten jene Stadt. Über sie hinweg schaukelnd sah ich nach unten, machte Einzelheiten aus, erkannte die schönen hellen Häuser zum größten Teil eingefallen, als hätte eine Naturkatastrophe das Gebiet erschüttert und Tod und Verderben gebracht. Dennoch wirkte sie so wunderschön erhaben und intakt, diese weiße Stadt, die sich von der See bis in die sie schützend umgebenden Berghänge hinzog.
Dann war der Moment vorüber, Wolken zogen auf und Regen fiel. Ich flog immer noch,
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