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Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Titel: Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Thiele
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einen anderen wenn auch aufwändigeren Weg, Bambusstämme miteinander zu verbinden, ohne dabei auf Stricke, Lianen oder ähnliches zurückgreifen zu müssen.
    Der Abend rückte heran und mit ihm die Vorbereitungen für die Nacht. Die beiden Felsen, zwischen denen wir das Nachtlager aufschlugen, bildeten eine natürliche Wand, die uns im Ernstfall den Rücken freihielt. Wir legten den Sandboden mit den wieder trockenen Decken aus, verpackten alle Nahrungsvorräte sorgfältig und vergruben sie. Sämtliche Spuren der Feuerstelle verschwanden unter einer Schicht trockenen Sandes.
    Der Zugang zu unserem Domizil erschien Krister zu breit und einladend, also schlugen wir in unerwartet zeitaufwendiger Aktion ganze Schneisen ins Unterholz des nahe gelegenen Dickichts und verjüngten mit allem möglichen Geäst sowie Unmengen trockener Palmwedel den Zutritt zu unserem Quartier. Es war nur Kosmetik, fürwahr, und keinesfalls stabil genug um Eindringlinge welcher Art auch immer fernzuhalten, trotzdem aber ein hervorragender Sichtschutz, hinter dem wir uns deutlich sicherer fühlten.
    Müde von diesem langen, ereignisreichen Tag ließen wir uns endlich nieder. Dunkelheit kroch in langen Schatten heran. Der Himmel war sternenklar. Krister übernahm die erste Wache und postierte sich im Schneidersitz neben den Eingang. Monströs tauchte die goldgelbe Scheibe Tauris aus dem See auf, viel früher als erwartet. Sein Zyklus schien sich zu verschieben.
     
       Der Traum, der mich in dieser Nacht heimsuchte, hatte es in sich. Ich saß mutterseelenallein auf einem winzigen Floß umgeben von schwarzem Wasser. Nebel verhüllte die Umgebung. Das rhythmisch wiederkehrende Donnern ferner Brandung drang an meine Ohren. Alles war friedlich. Unvermittelt griff ich nach dem Ruder und begann wie ein Wahnsinniger zu paddeln. Ich hatte einen Ruf vernommen, der aus der Richtung der rauschenden Brandung kam und war mir sicher, es handelte sich um Rob. Die Stimme verlor schnell an Intensität und ging in klägliches Wimmern über. Doch verstand ich sehr wohl meinen gerufenen Namen.
    Besorgnis überkam mich, gemischt mit der Angst, zu spät zu kommen.
    Ich wollte antworten, wollte Rob mitteilen, wie nahe ich war und dass er um Himmels willen noch aushalten musste, aber kein Laut kam über meine Lippen. Stattdessen ruderte ich, als verfolgte mich der Tod persönlich.
    Das pulsierende Dröhnen der nahen Brandung lag nun klar und deutlich in der feuchtkalten Luft, ich konnte nicht mehr weit entfernt sein. Das Rudern einstellend richtete ich mich auf und lauschte angestrengt, als das Floß einen mächtigen Stoß von unten erfuhr, der es in die Luft wirbelte und umwarf. Schreiend stürzte ich in die Fluten, die über mir zusammenschlugen und verfiel instinktiv in Schwimmbewegungen. Doch fand ich mich unvermutet im Trockenen auf weichem Sand wieder.
    Innerhalb von Sekunden lichtete sich der Nebel. Wenige Meter entfernt nahm ich eine gebückte Gestalt wahr und wagte einen ersten Schritt in diese Richtung, dann den zweiten. Schließlich gab es kein Halten mehr, ich lief los, warf mich neben Rob in den Sand und streckte beide Arme aus, in der Absicht, seinen Kopf anzuheben und in ein vertrautes Gesicht zu blicken. Die Gestalt entzog sich jedoch meinem Zugriff und schreckte zurück. Dabei wandte sie den Kopf in meine Richtung und ich konnte in ihr Gesicht sehen.
    Nein, das war nicht mein Bruder…
    Es war ein alter Mann… ein alter Mann, der mir fremd und doch merkwürdig vertraut vorkam. Sein ausgemergelter Körper steckte in zerschlissenen Fetzen, die man kaum noch als Kleidung bezeichnen konnte. Das Antlitz des sterbenden Alten war schmerzverzerrt, die müden, schwarz geränderten Augen weit aufgerissen, der Mund zu einem stummen Schrei verzogen, die blutleeren Lippen aufgeplatzt und wund. In merkwürdiger Weise erinnerten seine anklagenden Züge an die meines Vaters, wenn auch nur entfernt.
    Dann bewegten sich die Lippen des geschundenen alten Mannes und mit dem Versuch eines Lächelns formten sie einen Namen.
    Meinen Namen.
    Es war ein Hauch, mehr nicht. Der ultimative Kommunikationsversuch eines Sterbenden, dem keine Zeit mehr blieb. Ein letztes Glimmen in wehmütigen Augen, aus denen dickflüssige schwarze Tränen quollen, das verunglückte Lächeln noch auf seinen Zügen, dann ein leises, brüchiges Flüstern, fast unverständlich und in seiner Konsequenz doch deutlich wahrnehmbar: „Du bist… zu spät…“
    Dann erkannte auch ich ihn.
    Tränen

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