Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
oder was mich auf diesem Eiland inmitten des Taorsees sehen wollte, er sollte seinen Willen bekommen.
Mit neuer Energie griff ich nach dem Beil. Bis zum späten Nachmittag schlug ich ganze zwölf Stämme und hackte sie mehr oder minder in gleiche Lägen. Dann überkam mich bleierne Müdigkeit und ich kehrte ermattet ins Lager zurück. Erstaunt warf ich einen Blick auf die Köstlichkeiten, die Avalea und Luke zusammengetragen und auf einer Decke ausgebreitet hatten. Eine Unmenge roter, gelber und grüner Früchte in allen Formen und Variationen boten sich meinen verblüfften Augen, dazu dunkle Knollen, die wie Lavakiesel aussahen sowie ganze Büschel giftig grüner Pflanzen, Kräuter und Pilze. Avalea war bereits damit beschäftigt, verschiedene Früchte in Streifen zu schneiden.
„Ich bin beeindruckt“, sagte ich nach kurzer Bestandsaufnahme.
„Das solltest du auch“, meinte Luke. „Diese Bucht ist ein Paradies für Obstbäume. Hier wächst und gedeiht einfach alles. Sieh nur! Tichinas, Bodisaven, Ebruwas und sogar – du wirst es kaum glauben – Äpfel. Richtige Äpfel.“
Äpfel? Wie konnte das möglich sein? Äpfel zählten zu den von Menschen eingeführten Arten und kamen demzufolge auch nur dort vor, wo es Menschen gab, die sie kultivierten. Ich nahm einen der knallroten Äpfel und beäugte ihn von allen Seiten. Wann hatte ich den letzten Apfel in Händen gehalten? Die Sorten, die in Avenor angebaut werden, waren in den letzten Jahren regelmäßig rätselhaften Krankheiten zum Opfer gefallen und bereits kurz nach der Blüte am Baum verdorrt. Dieser Apfel jedoch sah ganz und gar gesund und appetitlich aus. Am liebsten hätte ich sofort hineingebissen.
„Keine Sinnestäuschung“, hörte ich Avalea sagen. „Was du siehst ist ganz und gar real.“
„Und wie erklärst du dir das?“
„Wir sind wohl nicht die ersten Menschen, die diese Bucht betreten. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Entdecker so weit in den Süden vordringt und immer noch über einen Vorrat an Äpfeln verfügt. Anders lässt sich der Obstgarten, den wir entdeckt haben, nicht erklären.“
„Wie bitte? Obstgarten?“
„Ja, merkwürdig, nicht wahr?“ Luke wurde ganz aufgeregt. „Ich dachte mich tritt ein Moa, als wir plötzlich vor einer ganzen Reihe von Apfelbäumen standen. Es ist noch zu früh im Jahr, die meisten Früchte sind noch unreif, einige vom Baum gefallene aber schon essbar. Nur wenige, leider, aber immerhin. Sie schmecken köstlich!“
Davon war ich absolut überzeugt. Avalea schnitt noch immer geschäftig Bodisaven in Streifen und blickte nur kurz von ihrer Arbeit auf, als sie sprach.
„Wenn du mich fragst, die Existenz von terrestrischer Flora in dieser Gegend bedeutet nichts Gutes. Da es sich um eine ganze Anzahl von ihnen handelt, gibt es keinen Zweifel daran, dass sie irgendwann gepflanzt worden sein müssen.“
„Es sind sogar verschiedene Arten, deren Namen ich aber nicht mehr weiß“, warf Luke ein. „Ein weiteres Indiz für die Anwesenheit von Menschen. Zumindest müssen sie einmal hier gelebt haben.“ Das Wort „gelebt“ betonte er dabei so außergewöhnlich, als gäbe er mir damit ein Rätsel auf, dessen Antwort ihm bereits klar war.
„Weißt du etwas Genaueres darüber?“ fragte ich Avalea. Wenn jemand etwas wissen konnte, musste sie es sein. Sie zuckte jedoch mit den Achseln.
„Nein, leider nicht. Womöglich, und das ist reine Vermutung, sind in den letzten Kriegsmonaten tatsächlich Menschen auch in Richtung Süden aus Laurussia entkommen. Eigentlich fast nicht zu verstehen, denn das Gros der Invasionsarmee kam von Süden. Die Flucht nach Norden war damit die einzige logische Alternative, den Opreju zu entgehen. Offensichtlich aber doch nicht nur. Einigen muss der Durchbruch nach Uhleb gelungen sein und irgendwann sind sie wahrscheinlich hier angelangt.“ Avaleas Theorie klang glaubhaft, allein der Klang ihrer Stimme war es nicht.
„Und die Mithankor?“
„Das ist der Schwachpunkt meiner Hypothese, ganz recht, Jack. In der Endphase des Krieges muss der ganze Süden Laurussias von ihnen verseucht gewesen sein. Außerdem glaubte man damals, das – wenn man so will – Siedlungsgebiet der Mithankor zu kennen. Dazu zählten Uhleb, Ithra und Lygaria. Die beiden ersteren darf man getrost als eroberte Gebiete bezeichnen, auch wenn die Mithankor keine Kriege führen, wie wir sie kennen. Aber ihr Erscheinen dort mündete, wie ihr ja bereits wisst, in die Vernichtung dreier
Weitere Kostenlose Bücher