Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Angenehmer Wind wehte landwärts und brachte den Geruch von erntefrischen Kräutern, bis ich feststellte, dass er von aufgebrühten Blättern herrührte, aus denen Avalea ein dampfendes Getränk braute.
„Na, aufgewacht?“ sagte sie ohne sich umzudrehen.
„Guten Morgen“, begrüßte ich sie. „Wieso hat mich keiner geweckt? Ich war für die dritte Wache eingeteilt.“
„Das geht in Ordnung.“ Avalea richtete sich auf. „Krister meinte, du hättest Schlaf nötig und übernahm deine Wache. Hier, probier mal!“ Sie reichte mir ein aus Palmblättern gefertigtes Gefäß mit heißem Gebräu. „Frisch aufgebrühter Tee. Luke ist ein Genie. Was er so alles Brauchbares anschleppt ist unglaublich. Hier in der Nähe wachsen tatsächlich Teepflanzen. Keine besonders aromatische Sorte, aber immerhin.“
Ich nahm den Becher entgegen und nippte ein wenig. Eklig bitter, das Zeug.
„Das hätte Krister nicht tun dürfen.“
Avalea lächelte wie eine fürsorgliche Mutter.
„Lass gut sein. Nach allem was er erzählte, hast du unruhig geschlafen.“
Der Traum! Mir fielen die Einzelheiten wieder ein und ich erschauderte. Noch einmal kehrte mit Nachdruck das quälende Eingeständnis zurück, erstmals von Robs Tod geträumt zu haben und wie sehr diese Tatsache jene Avalea in meinen Träumen belustigt hatte. Vielleicht war es aber auch nur eine Mahnung zur Eile. Ich klammerte mich mit neuer Hoffnung an diese Vermutung und beschloss, so schnell wie möglich mit dem Floßbau weiterzumachen.
„Wo sind Krister und Luke?“
„Sie suchen nach Lianen für das Floß“, berichtete Avalea und genehmigte sich ebenfalls einen Becher des heißen Getränks, das, wie ich jetzt bemerkte, überaus anregende Wirkung zeigte. „Aus Sicherheitsgründen sind sie zusammen losgezogen.“
„Sehr vernünftig.“ Ich leerte den Becher mit einem letzten Zug. Dann ergriff ich das Beil, das neben dem Eingang zu unserem Lager ruhte und machte mich wortlos und ungefrühstückt an die Arbeit. Mit neuer Energie schlug ich einen Bambus nach dem anderen, und mit jedem Stamm, der fiel, kehrte ein Stück Zuversicht zurück.
Gegen Mittag legte ich eine erste Pause ein und betrachtete zufrieden die Früchte meiner Arbeit. Zwanzig Stämme lagen nun vor mir im Sand. Sie würden die geeignete Plattform für ein Floß bilden, mit dem wir zur Feuerinsel übersetzen konnten. Wie auf Kommando erschienen dann auch tatsächlich Luke und Krister, einen halben Urwald an Schlingpflanzen hinter sich her schleifend.
Ich war begeistert. „Sehr gut gemacht“, rief ich ihnen entgegen.
„Ja, lob uns ein wenig. Es war nicht ganz ungefährlich, den Baumriesen dies Gold zu entreißen.“ Luke ließ seine Ladung neben mir in den Sand fallen. „Krister und ich mussten unser ganzes Gewicht einsetzen, um das Zeug aus ihren Kronen zu bekommen.“
Krister lachte.
„Du hättest uns sehen sollen. Wie Affen hingen wir in mehreren Metern Höhe an den Lianen, um sie zu Boden zu reißen.“
„Klingt ja höchst gefährlich.“
„Davon kannst du ausgehen“, beteuerte Luke. „Sie hingen relativ hoch und ließen sich zudem nur Stück für Stück aus der Verankerung zerren. Das war Knochenarbeit.“
„Und erst die Mühe, sie zu finden. Ich hatte die ganze Aktion ja schon aufgegeben, aber Luke meinte, wir sollten auf jeden Fall so nahe wie möglich an die Berghänge heran, weil sich dort die Feuchtigkeit besser hielte. Und er hatte Recht.“ Krister begutachtete meine Arbeit. „Du hast ja auch ganz schön gewirkt. Die Stämme reichen ja für zwei Flöße.“
„Eines sollte genügen“, erwiderte ich. „Und so wie ich es sehe, verfügen wir in Kürze über ein Gefährt, das uns zur Feuerinsel und wieder zurück bringt.“
Große Teile des Pflanzenmaterials, welches Luke und Krister angeschleppt hatten, waren bereits verholzt und damit unbrauchbar. Die jüngeren, noch grünen Triebe jedoch ließen sich hervorragend winden und wiesen dazu erstaunliche Reißfestigkeit auf.
Während Luke und ich uns daran machten, die Stämme zu vertäuen, kehrte Krister zum Lager zurück. Für ihn gab es keine entspannendere Tätigkeit als Angeln. Doch als er Avalea erblickte, verflogen diese Gedanken von einer Sekunde auf die andere. Sie stand in Ufernähe, das Gesicht dem See zugewandt und fühlte sich allem Anschein nach unbeobachtet. Als er sich näherte, legte sie gänzlich unbefangen ihre Kleidung ab und schickte sich an, ein Bad im See zu nehmen. Krister kam nicht umhin, ihr
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