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Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Titel: Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Thiele
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waren.
    Um fünf Personen (Rob miteingerechnet) sicher zu befördern, schwebte mir ein Floß mit Ausmaßen von ungefähr fünf mal drei Metern vor, das bedeutete im wahrsten Sinne des Wortes eine Menge Holz. Ich rechnete mit mindestens zehn kräftigen Stämmen, wofür ich einen guten Tag Zeit benötigen würde. Doch fand ich etwas noch viel besseres: Bambus. Ideal für den schnellen Floßbau.
    Mit einer Energie, die mich selbst überraschte, ging ich ans Werk. Nach den Erlebnissen des heutigen Tages – und natürlich der gestrigen Nacht – hatte ich erwartet, müde und ausgelaugt zu sein, aber dem war nicht im Mindesten so. Das Verlangen, die Feuerinsel so bald als möglich zu erreichen, wurde erneut übermächtig und trieb zu Höchstleistungen an. In ruhigeren Augenblicken, in denen ich etwas Abstand vom allgemeinen Geschehen fand, stimmte mich dieser Drang nachdenklich. Ich gewann den Eindruck, teilweise wie ferngesteuert zu agieren, als zwänge sich der Wille des Sentrys auf.
    Wie ein Besessener hieb ich das Beil wieder und wieder in knochentrockenes, beinhartes Holz und ruhte keine Sekunde, bis die ersten wuchtigen Stämme gefällt darnieder lagen. Nur mit Anstrengung widerstand ich der Regung, mich sofort dem nächsten anzunehmen und nötigte mir eine Pause ab. Erst jetzt bemerkte ich, wie durstig ich war. Das Seewasser, kühl und rein, stillte den Durst. Einige hundert Meter entfernt entdeckte ich Kristers winzige Gestalt bis zu den Hüften im Wasser stehen und fischen. Ich beobachtete ihn eine kleine Weile, bis mein abschweifender Blick auf die Feuerinsel fiel. Meine Augen verengten sich unwillkürlich zu engen Schlitzen, und das Bedürfnis, sofort umzukehren und den nächsten Bambus zu fällen, wurde unwiderstehlich. War es überhaupt noch ich, der dorthin übersetzen wollte? Oder übte der Sentry bereits seine unheilvolle Macht aus? Ich wusste keine andere Möglichkeit, mich gegen den fremden Einfluss zu wehren, als den Kopf ins kühle Wasser zu stecken.
    Seit wann war ich überhaupt noch ich selbst?
    Nach der folgenschweren Begegnung mit den beiden Uhleb Éi-urt-tuay und Éi-yor-oys traute ich mir nicht mehr über den Weg, vermutete hinter jeder Regung meiner eigenen Intuition den versteckten Willen des Sentrys. Die heftigen Träume, die mich seit seiner Offenbarung beinahe jede Nacht überfielen, hatten sich in ihrer Substanz verändert, schienen nicht mehr den Charakter von Visionen innezuhaben, die mich leiteten, sondern sprachen vielmehr von Tod und Vernichtung, Leid und Schmerzen. Wer auch immer hinter diesen Trugbildern steckte, die Botschaften hatten sich deutlich verändert. Dennoch stellten sie die einzige Möglichkeit dar, wenn auch auf ungeheure Weise, mit meinem Bruder zu kommunizieren – oder wenigstens in Verbindung zu bleiben. Natürlich war es blauäugig, den Wahnbildern uneingeschränkt vertrauen zu wollen. Wahrlich, zwischen mir und Rob existierte seit ich denken konnte ein enges Band der Zusammengehörigkeit, des Vertrauens, des blinden Verstehens. Aber erst seit seinem mysteriösen Verschwinden stellte sich diese unerklärliche neue Art der Verständigung ein, begannen diese Träume, die immer dann an Intensität gewannen, wenn ich kurz vor der Kapitulation stand. Misstrauen ihnen gegenüber gab es von Anfang an, zweifellos, aber welche Wege standen sonst offen? Musste ich ihnen nicht glauben?
    Ich war der Sentry und der Sentry war ich. Wenn wir beide ein und dieselbe Person sein sollten, was ich zu vermuten wagte, musste es einen Weg geben, ihn zu kontrollieren, zu überwachen. Bisher war er nur einmal zum Vorschein getreten, und auch nur dann, als Éi-urt-tuay ihn gerufen hatte. Ich musste darauf vertrauen, den Sentry ohne Zutun von außen in Schach halten zu können, niemand durfte ihn je wieder ohne meine Zustimmung aktivieren. Also hatte ich mich den Mächten, die über ihn herrschten, so gut wie nur irgend möglich zu entziehen und dennoch den Visionen, die sie mir schickten, ein gewisses Maß an Glauben zu schenken. Rob war spurlos verschwunden, als hätte die Erde ihn verschluckt. Die einzigen Anhaltspunkte über seinen Verbleib vermittelten die Visionen, an denen ich trotz allen Argwohns nicht zweifeln durfte. Sich darüber immer noch Gedanken zu machen, war müßig, hatte ich mich doch schon lange dazu entschlossen, diesen bitteren Becher bis zum letzten Schluck zu leeren. Jetzt, so kurz vor dem Ziel – was dieses Wort auch bedeuten mochte – gab es kein Zurück mehr. Wer

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