Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
schossen mir in die Augen, meine Finger krallten sich um die bebenden Unterkiefer, mein ganzer Körper begann zu zittern, als befände er sich seit Stunden auf einer Eisscholle.
Es war Rob!
Ein um Jahrzehnte gealterter Robert Schilt, ein Schatten seiner selbst, eine lebende Mumie, ein grausiges Abziehbild seiner Existenz. Ich wollte ihn umarmen, ihn stützen, ihn noch einmal menschliche Wärme spüren lassen, was auch immer ihm widerfahren war, ihm deutlich machen, dass er nicht alleine sterben musste. Ich war da und doch meilenweit entfernt. Ich konnte nicht. Ich schaffte es nicht. Und dann war der Moment vorbei, die letzte Chance vertan.
Der Greis kollabierte, stürzte in sich zusammen, sein Gesicht zerfiel noch im Fallen zu dunklem Staub. Fassungslos stand ich da, nicht in der Lage, auch nur einen Finger zu bewegen. Ich wusste nicht, was mehr schmerzte, Robs Tod oder das spitze, teuflische Lachen, das meinen Kopf erfüllte und drohte, mein Gehirn zum Platzen zu bringen. Beide Hände auf die Ohren gepresst ging ich in die Knie. Wer lachte? Es klang so fremd und gleichzeitig doch vertraut. Ja natürlich. Es war Avalea, die sich das Herz aus dem Leib lachte.
Dann schreckte ich hoch, schlug unkontrolliert um mich und spürte zwei kräftige Hände, die mich an den Schultern packten und mit Nachdruck rüttelten. Bevor ich einen Schrei ausstoßen konnte, realisierte ich Krister über mir und kehrte unsanft aus der verhassten Traumwelt zurück. Meinen Widerstand aufgebend sank ich auf den Boden zurück und atmete schwer. Kristers beruhigende Stimme wirkte wie Balsam auf meiner verwundeten Seele.
„Psst“, zischte er und legte den rechten Zeigefinger auf seine Lippen. „Du weckst sonst noch alle auf.“
Ich atmete noch immer ruckartig.
„Ist schon Morgen?“
„Nein, gewiss nicht. Vielleicht kurz vor Mitternacht.“
„Ich bin durstig.“
Krister reichte mir einen Wasserbeutel, und ich trank gierig.
„Wieder alles in Ordnung?“
Ich nickte. Der Schweiß auf der Stirn erkaltete. Merkwürdig, wie sehr meine nächtlichen Anfälle schon als normal angesehen wurden. Für mich waren sie alles andere als das. Ich stand auf und nahm auf der anderen Seite des Eingangs Krister gegenüber Platz. Lange Zeit sprach keiner ein Wort. Ich spürte das Verlangen, über meinen Traum zu reden, doch erschien es unpassend. Irgendetwas an Kristers Verhalten gebot mir Zurückhaltung. Als mich der Verdacht beschlich, er würde annehmen, ich sei wieder eingeschlafen, hörte ich seine leisen und doch klaren Worte.
„Manchmal frage ich mich, ob wir richtig entschieden haben, uns auf diese Reise einzulassen.“
Dazu fiel mir nichts ein, also schwieg ich. Ich hätte erwidern können, wie sehr mich diese Frage mehrmals täglich quälte, sagte jedoch wiederum nichts. Außerdem kannte ich Krister gut genug, um zu wissen, dass er es nicht bei diesem einzigen Satz belassen würde. Ein schwaches Lämpchen ging mir auf, das in einen einzigen Namen mündete, einen Namen, der seit langem nicht mehr gefallen war.
„Sava?“
Krister blickte auf, als wäre er bei etwas Verbotenem ertappt worden und nickte verstohlen. Die Silhouette seines Körpers schien für einen kurzen Augenblick zu frösteln. „Sava.“ Und in diesem einen Wort lag bittersüße Sehnsucht, die man nur einem unerreichbaren geliebten Menschen entgegenbringen konnte.
„Was sie wohl gerade macht?“
„Es geht ihr bestimmt gut“, versuchte ich ihn zu beruhigen und spürte selbst wehmütiges Verlangen nach Laura. Es verging kein Tag, an dem ich nicht an sie dachte.
„Das hoffe ich sehr.“ Lange Pause. Dann: „Ich hätte sie niemals verlassen dürfen. Ich glaube, ich bin feige davongelaufen. Ich hatte Angst davor, mich fester zu binden, Angst davor, eine Familie zu gründen. Ich fühlte mich noch nicht bereit dazu.“
„Und jetzt? Fühlst du dich jetzt… bereit dazu?“
Krister zuckte mit den Achseln. „Ich weiß es nicht. Vielleicht macht es nur die Entfernung, dieser wahnsinnige Abstand zwischen ihr und mir.“ Er sah mich direkt an. „Dieses Thema beschäftigt mich nicht erst seit heute.“
„Davon gehe ich aus“, bekräftigte ich ihn, als schien jede andere Annahme undenkbar.
„Ich trage diese Problematik schon mit mir herum, seit wir Hyperion verlassen haben.“ Warum flüsterte er jetzt, als ginge es um etwas Verbotenes? „Mit dem Auftauchen Avaleas hat es begonnen. Seit sie bei uns ist, spüre ich diese ständig wachsende Sehnsucht nach Sava. Ich
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