Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
führt.“ Ich wählte kurz entschlossen den rechten Gang und eilte los.
Das Glück schien uns hold. Tatsächlich bewegten wir uns auf leicht abschüssigem Gelände. Ich hatte auch das Gefühl, als wand sich der Gang spiralförmig niederwärts. Wenn nur niemand entgegenkam!
Robs Gewicht wog inzwischen tonnenschwer. Mir wurde zunehmend schwindlig. Ich schob es auf die Tatsache, seit langem nichts Handfestes mehr zu mir genommen zu haben. Der Gedanke an etwas Essbares entwickelte sich zu einem Martyrium. Nur nicht schlapp machen! Nur jetzt nicht! Ich konzentrierte mich auf jeden Schritt, jede einzelne Bewegung. Nicht auszudenken, sollte ich stürzen! Zu meiner größten Erleichterung verflog das Schwächegefühl nach wenigen Minuten wieder. Mein Körper schien eine geheime Energiequelle angezapft zu haben, die ihn noch einmal zu Höchstleistungen animierte.
Die Atemzüge wurden schwerer und schwerer, und als ich mich allen Ernstes fragte, was ein etwaiger in der Nähe befindlicher Feind wohl zuerst hören musste, das weithin hörbare Gekeuche oder meine immer geräuschvoller werdenden Schritte, sah ich Tageslicht. Der Gang vollführte eine letzte Biegung und führte hinaus ins Freie. Wir standen am Seeufer, keine zehn Meter vor uns plätscherten die trägen Wellen des Taorsees ans Ufer.
Es war in der Tat früh am Morgen. Eine angenehm kühle Brise wehte uns um die Ohren. Die Xyn stand noch nicht hoch genug, um über den Felsenring zu blicken, der den See wie eine steinerne Rüstung umgab. Wie gut es tat, frische Luft zu atmen! Waren Krister, Luke und ich nicht erst vor kurzem hier irgendwo an Land gegangen? Hatten wir uns nicht gefragt, wie um alles in der Welt es weitergehen sollte? Die karge, unfruchtbare Insel konnte doch niemandes Wohnort sein. Nun ja, wir sahen uns schnell eines besseren belehrt. Wer rechnet schon damit, dass Menschen im Innern eines Berges leben?
Als man uns dort hinein verschleppt hatte, war ich sicher gewesen, nie wieder lebend herauszukommen. Nun war die Flucht aus dem Berg leichter gewesen, als ich es mir jemals hatte träumen lassen. Warum wollte ich mich nicht freuen? Saß mein Misstrauen schon so tief und ich traute den eigenen Fähigkeiten nicht mehr über den Weg? Im Stillen hatte ich das Eingreifen des Sentrys erwartet. Was Rob und ich hier taten, konnte nicht in seinem Interesse sein. Dennoch rührte er sich nicht.
Ich ließ Rob absteigen. Er sah schwächer aus denn je. Sein kreidebleiches, ausgezehrtes Gesicht offenbarte im gnadenlosen Morgenlicht die erschreckenden Anzeichen des nahenden Endes. Wenn er sich doch schon meilenweit von hier befände, auf dem Weg nach Norden, nach Hause.
„Wo ist der Zutritt zu dem Gang unter dem See?“ fragte ich.
Rob trottete unsicheren Schrittes auf das Ufer zu und sah sich nach beiden Seiten um. Kopfschüttelnd stand er da.
„Ich würde sagen, irgendwo da hinten.“ Er deutete auf eine Felsformation, die aus der Entfernung aussah, als liefen eine Handvoll grasender Weidetiere verschiedener Größe direkt ins Wasser hinein. „Aber sicher bin ich nicht.“
„Also los!“ Ich nahm meinen Bruder wieder Huckepack. Schon das Aufsteigen bereitete ihm Mühe. Wie sollte er nur den weiten Weg unter dem See aus eigener Kraft schaffen?
Rob suchte sich die Augen aus dem Kopf. Er haderte mit sich, denn es wollte ihm nicht gelingen, den Eingang zu der unterseeischen Passage zu finden. Die Felsen sahen einander zum Verwechseln ähnlich, Orientierung war so gut wie unmöglich. Ich stapfte dennoch drauflos. Und wenn wir das gesamte verfluchte Eiland zu Fuß umrundeten, irgendwann mussten wir unser Ziel erreichen. Tief sanken die Füße in den feinen Kies ein, das Laufen strengte mehr an, als ich mir eingestehen wollte. Auch schmerzte die Wunde in meiner Brustmitte wieder stärker.
„Es hat keinen Zweck“, sagte Rob schließlich. „Wir sind jetzt zu weit fort vom Eingang in den Berg. Wir müssen den Zugang verpasst haben! Hier war ich noch nie.“
„Also zurück!“ Ergeben wandte ich mich um. Und zurück ging es, meinen eigenen Fußspuren folgend. Inzwischen ging die Sonne auf. Der östliche Horizont färbte sich feuerrot, die wenigen Wolken am Firmament begannen in einem wahren Stakkato aus gelben und pinkfarbenen Tönen zu glühen. Alsbald passierten wir unseren Ausgangspunkt.
Rob, der sehr lange sehr still verharrte, rief plötzlich ganz aufgeregt: „Sieht so aus, als liegt dort vorne ein Boot.“
In der Tat. Und dieses Boot entpuppte sich
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