Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
schnell als das Floß, das Krister, Luke und mich herübergebracht hatte. Die Skiavos hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, es zu verbergen oder kaputtzuschlagen. Es lag einfach da, als wäre es irgendwann angetrieben worden. Nur unsere Rucksäcke waren verschwunden.
„Ich habe eine viel bessere Idee“, sagte ich und blieb vor dem Floß stehen. „Was sagst du dazu, wäre es nicht viel besser, das Floß zu nehmen? Du setzt dich drauf und lässt dich treiben. Sieh nur, die Paddel sind auch noch da. Du kannst sogar rudern, wenn du dich kräftig genug fühlst.“
Rob zögerte.
„Ich wollte, wir könnten zusammen von hier verschwinden.“
Oh ja, wie sehr auch ich das ersehnte, ließ sich nicht in Worte fassen. Aber es ging jetzt um mehr, nicht nur darum, unsere eigenen Leben zu retten. Es ging um die Zukunft der gesamten Menschheit Gondwanas. Ich konnte nicht mit ihm kommen. Niemals hätte ich es außerdem geschafft, Krister und Luke zurückzulassen. Nein, undenkbar. Außerdem war ich von einer Sache felsenfest überzeugt: der Sentry würde mich nicht widerstandlos ziehen lassen.
Mein Bruder wollte gerade von mir heruntersteigen, als er stutzte.
„Da vorne... das kommt mir bekannt vor... Ich glaube, dort ist der Zugang zu der unterirdischen Passage.“
„Du willst das Floß demnach nicht nehmen?“
Rob zögerte nur kurz.
„Ich traue es mir nicht zu, rüberzupaddeln ans andere Ufer.“
„Das ist bestimmt einfacher als laufen“, hielt ich ihm entgegen. Doch Rob wollte nicht. Ich verschwendete auch keine Zeit, es ihm weiter einzureden und lief weiter, ließ das Floß und die Stelle, an der ich gefangen genommen wurde, hinter mir.
„Ja, das hier sagt mir etwas. Jack, ich glaube, da vorne ist es. Siehst du diesen überhängenden Felsen?“
Ich sah ihn. Und als wir direkt vor ihm standen, stieg Rob ab.
„Direkt dahinter ist der Zugang. Siehst du?“ Er stolperte unter der türbogenartigen Felsformation hindurch und stand in einer Art Gang. Nicht unähnlich dem Gang, der in die Höhle der Mithankor geführt hatte. Die Lichtverhältnisse waren dürftig, doch entging mir die aus dem Fels gehauene Treppe nicht, die gewunden wie eine Würgeschlange in pechschwarze Tiefe führte.
„Wirst du es ohne Fackel schaffen?“ Dumpf gähnte uns der rabenschwarze Schacht entgegen. Mir war nicht wohl, meinen ausgemergelten Bruder ohne Licht auf diese schaurige Reise zu schicken. Sich meilenweit durch einen ganz und gar dunklen Tunnel zu tasten, nicht zu wissen, was vor einem lag, war sicherlich nicht jedermanns Sache. Ob er überhaupt in der Lage war, die vielen Stufen zu meistern? Ich wagte nicht daran zu denken. Wäre es nicht besser, ihn durch den Tunnel ans Ufer zu tragen? So konnte ich wenigstens sicherstellen, dass er lebend drüben ankam und nicht irgendwo unter dem Seebett zusammenbrach, um entkräftet einem einsamen schwarzen Tod entgegenzudämmern.
„Denk nicht mal daran!“ hörte ich Rob sagen, der mich genauestens studierte. „Du kümmerst dich um Krister, hörst du? Ich kann auf mich selbst aufpassen. Wir haben keine andere Wahl mehr.“
Ich nahm seine beiden Händen in die meinen.
„Wir sehen uns wieder, ist das klar?“ Mir war zum Heulen zumute, aber ich verbat es mir, sentimental zu werden, wollte Rob nur so schnell wie möglich von hier fort wissen, um mich dann voll und ganz auf das zu konzentrieren, was vor mir lag. Wenn es eine Trennung für immer war – und davon ging ich aus – beabsichtigte ich sie so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.
„Bruder.“ Dieses eine Wort und der finale Ausdruck in den Augen offenbarten auch seine Zweifel an einem Wiedersehen. Eine Träne steckte in seiner Stimme, als er sagte: „Pass auf dich auf! Versprich es mir! Und mach sie fertig!“
Ich umarmte meinen abgezehrten Bruder ein letztes Mal und drückte ihn so sacht wie nur möglich an mich. Warum bekam ich das Gefühl nicht los, ihn im Stich zu lassen?
„Versprich du mir, alles zu geben, um drüben anzukommen. Warte nicht auf mich! Zieh los in Richtung Heimat sobald es dir möglich ist!“
„Das werde ich, Jack.“ Rob klopfte mir hilflos einige Male auf die Schulter. Ein letzter langer Blick. Dann löste er sich und machte sich an den Abstieg. Kein Blick mehr zurück. Wenigstens hier blieb er sich treu, so kannte ich meinen großen Bruder.
Ich sah ihm eine ganze Weile nach. Erst als die letzten scharrenden Geräusche aus dem tiefen Schacht verstummt waren, riss ich mich los.
Mir
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