Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
tot!“ Mein Unterkiefer bebte unkontrolliert und endlich lösten sich erste bittere Tränen aus meinen Augenwinkeln. Obgleich ich es nicht im Mindesten wollte, gelang es nicht, auch nur eine weitere Sekunde dagegen anzukämpfen. Ich sah Rob wieder und wieder sterben, wusste, dass Luke nicht mehr lange zu leben hatte, spürte Kristers Arme meine Schultern umschlingen und an sich drücken, hörte ihn den Schmerz in die kalte Welt hinausschreien, etwas, zu dem ich noch nicht in der Lage war. Ich brach in seinen Armen zusammen, wir beide fielen auf das Floß, mein verschleierter Blick suchte seine Augen, doch sie waren fest zusammengekniffen, versteinert, sein gen Himmel gerichtetes Gesicht verzerrt von Trauer und Qual.
In diesen Sekunden wollte ich sterben, nichts anderes als sterben. Warum öffnete sich dieser verwunschene See nicht und zog mich hinab in seine eiskalten Tiefen, wo der Tod wie süße Erlösung wartete? Wieso stürzte Tauri nicht endlich vom Firmament herunter und riss diesen verfluchten Planeten, meine entleerte Heimat, die niemals für Menschen bestimmt war, in den Untergang? Seine gigantische schwarze Scheibe bedeckte doch bereits über die Hälfte des Himmels. Wieso dauerte es so lange?
Krister kroch zurück zu Luke, der wie tot auf dem Rücken lag, die Augen geschlossen, den Mund halb geöffnet. Ich empfand nichts mehr. Für Wut war kein Raum mehr, Trauer und Verzweiflung machten Platz für etwas, vor dem ich mich noch mehr fürchtete.
„Wie geht es Luke?“ Die eigene Stimme kam mir fremd vor.
„Er lebt.“ Eine kurze Feststellung, mehr nicht. Vielleicht wäre alles leichter zu ertragen gewesen, hätte ich wenigstens Luke in Sicherheit gewusst. Aber er war es nicht. Er war zum Tode verurteilt, und hilflos mussten wir es hinnehmen. Was konnten wir noch für ihn tun? Nicht nur, dass wir ihm nicht helfen konnten, nein, das Wissen, ihn in absehbarer Zukunft zu einer Gefahr mutieren zu sehen, war unerträglich.
Kristers Blick hatte sich verändert, mutete hart und verbittert an. Womöglich rang er bereits mit der letzten Konsequenz, an die ich noch gar nicht zu denken wagte.
Alles was einst mein Ich ausgemacht hatte, schien entschwunden, herausgerissen, in Nichts verwandelt. Wenn ich schon nicht sterben durfte, wenn es mir nicht vergönnt sein sollte, meinem Bruder zu folgen, wo auch immer er sich jetzt befand, wollte ich wenigstens weg von hier.
Am nordöstlichen Horizont, schon weit entfernt, erblickte ich die Silhouette der Feuerinsel. Diesmal machte sie ihrem Namen alle Ehre. Eine kerzengerade, pechschwarze Rauchsäule stieg von ihr auf. Das ganze Eiland schien Feuer gefangen zu haben. Gleichgültig blieben meine Augen auf diesem Anblick ruhen.
„Die Insel brennt“, flüsterte ich fast unhörbar.
„Ja, wir müssen weiter.“ Krister hatte mich sehr wohl gehört. „Wir können nicht bleiben.“
Ich sah ihn an.
„Ich hasse es, hier zu sein.“
„Ich hasse es, hilflos zu sein. Ich hasse es, Rob verloren zu haben. Ich hasse es, Luke zu verlieren!“
Ich hasste es, Krister nicht widersprechen zu können.
„Noch ist er nicht verloren“, erwiderte ich wenig überzeugend.
„Du hast Recht, noch ist nicht alles dahin.“ Er ergriff ein Paddel. „Machen wir, dass wir wegkommen. Ach ja“, und er lachte wirr, „da gibt es noch etwas, was du wissen musst.“
Mir war alles egal. Was konnte jetzt noch passieren? Ich ergriff das andere Paddel, nur um wieder irgendetwas zu tun.
„In Bälde soll etwas geschehen, das ich nicht ganz begriffen habe, als Avalea es mir in ihren letzten Minuten anvertraute. Die Insel ist im Begriff, unterzugehen. Sie ruht angeblich auf einem riesigen unterirdischen Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch steht. Daher auch die Erdstöße.“
Wieder über etwas anderes zu sprechen, nahm etwas von dem ungeheuren Druck aus meinem Schädel.
„Der ganze Taorsee ist ein einziger mit Wasser gefüllter Krater, unter dem es kocht und brodelt. Die Ermeskul werden dafür sorgen, dass hier kein Stein auf dem anderen bleibt.“
„Du meinst, es ist wahr und wir rudern tatsächlich auf einer Zeitbombe?“ Die Bestürzung in Kristers Gesicht zeigte mir, wie viel ihm noch an seinem Leben lag. Plötzlich fühlte ich mich nicht mehr so völlig bodenlos leer wie eben noch. Ja, ich hatte viel verloren, sicherlich zu viel, um ohne bleibende Schäden davonzukommen. Doch da war immer noch Krister. Ihn um mich zu wissen, seine Stimme zu hören, seinen Schmerz zu teilen, bedeutete mir
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