Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
der besagten zehn Ochsen, schaltete mein reguläres Denken ab. Für einen kurzen Moment glaubte ich zwei huschende Schatten am Grotteneingang zu erkennen, doch ich konnte irren. Ein enormer Gesteinsbrocken krachte direkt vor mir donnernd zu Boden. Reflexartig sprang ich auf die Beine und rannte von Todesangst getrieben los. Keinen Blick mehr zurückwerfend ging es den Gang hinauf. Nur weg hier!
Irgendwann schaltete sich mein Verstand wieder zu, welcher überraschenderweise signalisierte, instinktiv den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Richtig, das hier war der Thronsaal – oder zumindest das, was die verheerenden Erdstöße von ihm übrig gelassen hatten. Durch die heftigen Erschütterungen waren Teile des Gewölbes eingestürzt. Unter Trümmern begraben erblickte ich im Vorbeihasten den zerschmetterten Thron Cantrells, realisierte es jedoch erst viel später. Mir war fast so, als rannte ich nicht selbst durch diese untergehende Welt, nein, vielmehr sah ich mich laufen, als wäre mein eigener Schatten zur wahren Existenz geworden.
Zu meiner Erleichterung fand ich den Ausgang des Thronsaals unblockiert vor und mich schwer atmend in jener Verteilerebene wieder, in der Rob und ich vor noch gar nicht allzu langer Zeit um den Weiterweg gerätselt hatten. Nicht eine Sekunde wagte ich daran zu denken, welche furchtbaren Dinge sich inzwischen zugetragen hatten.
Zwei Gänge taten sich vor mir auf, von denen der rechte, wie ich wusste, in die Freiheit führte. Wie durch ein Wunder spendeten die wenigen Lampen weiterhin Licht. Wer wusste, wie lange noch? Die Erde stand zwar seit geraumer Zeit still, doch traute ich dem Frieden nicht. Nur noch ein paar Sekunden verschnaufen, nur noch ein paar...
Aus den Augenwinkeln machte ich eine Bewegung linkerhand aus. Alle möglichen Gefahren erwartend zog ich mich eiligen Schrittes in den Deckung spendenden Zugang zum Thronsaal zurück.
Und dann setzte mein Herzschlag einen Moment aus!
Wenn keine Halluzination narrte, kämpfte sich ein schwer angeschlagen wirkender Krister aus dem Gang heraus. Sein schlurfender Gang gepaart mit rasselnden Atemzügen ließ mich verharren. Erst auf den zweiten Blick identifizierte ich die geschulterte Person als Luke. Dann gab es kein Halten mehr. Aus dem Versteck stürmend rannte ich freudestrahlend auf meinen alten Gefährten zu, der wankend stehenblieb. Las ich Misstrauen in seinen Augen? Wiedersehensfreude stellte sich allem Anschein nach nur auf meiner Seite ein.
„Krister!“ Ich erschrak beim Anblick des arg angeschlagen wirkenden Freundes. „Bin ich froh, dich zu sehen! Ich hatte schon jede Hoffnung aufgegeben. Was ist mit Luke?“
Krister benötigte überraschend lange, bis er reagierte. Indes der Argwohn in seinem Blick blieb unverändert.
„Jack? Bist du es?“
„Wer sollte ich sonst sein?“
„Avalea ist tot.“ Die glitzernden Tränen in Kristers Augen verblüfften mich anfangs mehr, als dass sie mich berührten. Mit umständlichen Worten berichtete er von ihrem gewaltsamen Ende. Es war wie ein Schwall Eiswasser ins Gesicht, als ich die Parallelen zu Robs Tod erkannte. Nicht nur er hatte sich also geopfert, allem Anschein nach auch Avalea. Nur aus diesem Grund standen Krister und ich einander gegenüber.
Rob!
Wie sollte ich dieses Opfer jemals wieder gutmachen? Unfähig, Krister auch nur ein einziges Wort davon zu berichten, blieb mein Blick an Luke hängen.
„Was ist mit Luke?“ erkundigte ich mich erneut.
Krister biss sich auf die Unterlippe.
„Er ist... er ist doch nicht auch...“
„Nein, er ist bewusstlos. Alles andere später! Lass uns erst abhauen, Jack! Ich will hier raus! Weißt du, wo es raus geht?“
„Ja, das weiß ich. Und es ist nicht mehr weit.“ Ich schickte mich an, ihm beim Tragen seiner Last behilflich zu sein. Krister jedoch lehnte das Angebot störrisch ab.
„Es muss hier einen Gang unter dem See geben“, sagte er stattdessen. „Avalea erzählte mir davon.“
„Es gibt ihn in der Tat. Ich weiß auch wo...“
Dumpfes Grummeln aus den Eingeweiden des Berges kündete neue Beben an. Es gab keine Zeit mehr zu verlieren. Wir liefen los. Ich eilte voraus, alle paar Meter einen Blick zurückwerfend. Krister folgte so schnell es ihm unter seiner schweren Last möglich war. Die Lampen, die noch zuverlässig Dienst leisteten, reichten schon lange nicht mehr aus, um ordentlich sehen zu können. Weite Bereiche der in die Freiheit führenden Passage wiesen bereits schwere Schäden auf.
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