Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
wieder nahm er das Boot und verschwand für Tage, ja manchmal Wochen, über deren Verlauf er uns nicht in Kenntnis setzte. Die Suche nach den Unseren, so sinnlos sie auch ihm erscheinen musste, ließ ihn für den Rest seines Lebens nicht mehr los.
So gingen Jahre ins Land. Jahreszeit reihte sich an Jahreszeit. Wir drei Übriggeblieben einer vergangenen Epoche lebten einfach weiter. Was sonst hätten wir tun sollen?
Luke ging ganz und gar in seiner geliebten Natur auf, er legte Obst- und Gemüsegärten an und kultivierte völlig eigenständig zwei kleine Felder. Mit zunehmendem Alter wurde auch er verschlossener und wortkarg. Ich weiß nicht auf welche Weise ich mich veränderte, da wir über diese Dinge nicht sprachen. Auch wenn wir eine Einheit bildeten, als Einheit mit festen Aufgaben funktionierten, so wiesen ihre drei Glieder ein Höchstmaß an Eigenständigkeit auf. Die Kommunikation beschränkte sich jahrelang auf das Notwendige. Erst sehr spät entdeckten wir wieder unsere sprachlichen Fähigkeiten. Zu jener Zeit näherte sich einer allmählich dem Ende der von der Natur diktierten Lebensspanne. Das letzte Kapitel unserer Gemeinschaft wurde aufgeschlagen.
40 DER KREIS SCHLIESST SICH
Die Monate nach Kristers Tod zogen sich wie eine endlose Kette körperlichen und seelischen Schmerzes dahin. Tagelang brachte ich es nicht fertig, das Nachtlager zu verlassen. Luke, mein letzter verbliebener Kamerad, kümmerte sich trotz eigener Gebrechen unermüdlich um mich. Wie so oft erwies er sich bis zum Ende als der Stärkste von uns dreien. Der Gedanke, irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft vollkommen allein zu sein, verfolgte mich in Gestalt immerwährender Angstträume.
Der Tag an dem wir Krister zur letzten Ruhe betteten, zählt zu den markanten Tiefpunkten meines Lebens. Nur weil Luke gewissenhaft und umsichtig Buch über jedes Jahr führte, das seit unserer Rückkehr nach Stoney Creek ins Land gegangen war, weiß ich heute noch, wann Krister von uns ging.
Wir schrieben das Jahr 43 nach unserer Heimkehr. Mein Freund eines ganzen Lebens wählte eine kühle Spätsommernacht, um diese Welt zu verlassen. Er ging nicht gänzlich ohne Vorwarnung. Starke Gewichtsabnahme stellte dabei das einzig äußerlich sichtbare Anzeichen einer ansonsten im Verborgenen ablaufenden Krankengeschichte dar. Bis kurz vor Ablauf der ihm gegebenen Zeit wirkte er stets tatkräftig und unermüdlich.
Doch dann ließen sich die alarmierenden Anzeichen nicht mehr ignorieren. Noch am Vortag waren wir gemeinsam fischen gewesen. Er klagte über Verdauungsprobleme und Schweißausbrüche, was mich beunruhigt aufhorchen ließ. Tatsächlich gelang es ihm nicht mehr, das nur zu einem Bruchteil gefüllte Netz einzuholen. Sein Atem kam stoßweise und rasselnd.
Wie oft hatten wir uns in den letzten Jahren über den Tod ausgetauscht? Unzählige Male. In seinen letzten Wochen hatte sich diese Thematik zu einer festen Instanz entwickelt. Mitunter glaubte ich zu fühlen, wie sehr er sich ein baldiges Ende herbeisehnte.
Körperlicher Verfall zählte nicht zu den Dingen, mit denen sich Krister Bergmark aktiv auseinanderzusetzen gedachte. Trotz aller Beschwerden, die ihn zum Ende hin plagten, hörte ich ihn keinen Moment klagen. Auch an seinem letzten Abend nicht. Er wirkte rastlos und nervös, schien den nahenden Tod zu ahnen.
Wie gewöhnlich in den warmen Monaten saßen wir bei Sonnenuntergang unten am Strand um das allabendliche Feuer versammelt. Der Fisch brutzelte zischend vor sich hin. Luke verrichtete irgendwo letzte Arbeiten in seinen geliebten Gärten und befand sich außer Hörweite. Die züngelnden Flammen malten verspielte Schatten auf unsere Gesichter. Kristers wirkte älter denn je. Stumm starrte er vor sich hin.
„Du bist schon den ganzen Tag so schweigsam, alter Freund“, brach ich das Schweigen. „Was bedrückt dich?“
Krister sah auf. Er benötigte einen langen Moment, um aus den Tiefen seiner untergehenden Welt zurückzufinden. Müde Augen funkelten im Feuerschein.
„Ich erzählte dir nie, dass ich einmal beinahe Vater geworden wäre.“
Es bedurfte einer gewissen Zeit, bevor mein Gehirn archaische Informationen wie diese abzurufen bereit war. Umso mehr traf die zeitverzögerte Intensität des Verdachts.
„Sava… ist sie schwanger gewesen?“
Fast unmerklich schüttelte Krister den Kopf. Es fiel ihm sichtlich schwer, die nächsten Worte zu formulieren. Lange sah er mich an, bevor er leise weitersprach.
„Nicht
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