Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
hohe Flutwelle konnte solche Gewalt entwickelt haben, um alles mit sich zu reißen was von Hyperion noch übrig gewesen war, einschließlich der an vielen Stellen noch intakt gewesenen Stadtmauer. Lediglich der aus Quadersteinen gepflasterte Weg, den mich Luke und Krister einst auf der Suche nach Hilfe hinuntergetragen hatten, lag klar und deutlich vor uns. Nur führte er jetzt ins Nichts.
„Ich glaube es nicht.“ Luke zeigte als einziger so etwas wie Fassungslosigkeit. „Welche Kräfte müssen hier getobt haben? Nichts, gar nichts mehr ist übrig... als hätte Hyperion nie bestanden.“
Ich nickte. Seltsam, wie wenig diese Tatsache berührte. Es war mir schlicht und ergreifend egal geworden, was mit den Zeugnissen menschlicher Geschichte auf Gondwana geschehen war. Menschen gab es keine mehr, also was scherten mich ihre verwischten Spuren? Worum sollte ich noch trauern?
Auch wenn wir sie nicht suchten, wir standen schließlich vor der Höhle, in der mich vor gefühlten Ewigkeiten jenes Fieber niederstreckte, das uns Hyperion überhaupt erst hatte betreten lassen. Sie lag auf dem Weg und bot sich erneut als Übernachtungsort an. Was hatte sich seit unserem letzten Besuch nicht alles verändert? Einfach alles. Auch in dieser Nacht regnete es in Strömen, und wir waren froh, Schutz vor Wind und Wetter gefunden zu haben.
An einem heißen Spätsommernachmittag, drohend dunkle Wolken begleitet von glühendem Westwind zogen von See her auf, erreichten wir Stoney Creek.
Der Kreis schloss sich.
Wir kehrten heim.
Drückende Schwüle lastete schwer auf unseren Gemütern. Womöglich lag es auch am Anblick des komplett zerstörten Dorfes. Natürlich hatte ich es erwartet. Keiner ging davon aus, Stoney Creek verschont vorzufinden. Schon die von der Natur zurückeroberten Felder ringsum die Siedlung ließen Schlimmstes erahnen. Der rabenschwarze Himmel am westlichen Horizont dämpfte überdies jedweden Optimismus, als schickte sich die Natur an, der Untergangsstimmung den passenden Anstrich zu verleihen.
Nichts war mehr so wie ich es seit dem Weggang in Erinnerung hatte. Nicht einmal mehr die genaue Stelle meines Elternhauses ließ sich lokalisieren. Lediglich zwei eingefallene Hütten am Waldrand waren der Katastrophe auf wunderbare Weise entkommen. Wege, Straßen, Plätze, alles war verschwunden. Wie schon in Kelvin und Hyperion hatte die Flut auch hier ganze Arbeit geleistet und so gut wie nichts zurückgelassen. Jeder noch so kleine Funken Hoffnung erlosch spätestens in diesem Moment der Erkenntnis. Das Zeitalter der Uzu war unwiderruflich vorbei. Drei gebrochene Männer bildeten die traurige Nachhut der untergegangenen Menschheit Gondwanas. Ihre Zeit war endgültig abgelaufen.
Die Entscheidung zum Weiterleben diktierte schon bald der einsetzende Herbst. Tagelang hatten wir apathisch herumgesessen, nicht wissend, wie es weitergehen sollte. Des Nächtens und bei Regen verkrochen wir uns wie Tiere in einer der beiden zusammengestürzten Hütten. Tagsüber gingen wir uns aus dem Weg. So etwas wie Koordination gab es nicht mehr. Mit der Rückkehr löste sich das Band, welches uns so lange zusammengehalten hatte. Keiner fühlte mehr Verantwortung für den anderen. Nur nachts fanden wir zusammen, an dem einzigen Platz, der etwas Schutz bot. Dieser Zustand hielt solange an, bis die Umstände uns daran erinnerten, noch unter den Lebenden zu weilen. Die ersten kalten Nächte stellten uns schlussendlich vor die Frage des Überlebens. Waren wir gewillt, so wie bisher weiterzumachen?
Im beginnenden Herbst fing ich endlich wieder an, rational zu denken. Wenig Lust verspürte ich, noch einmal so erbärmlich zu frieren wie in der vergangen Nacht. Es war an der Zeit, aktiv zu werden.
Unter den Trümmern der Nachbarhütte fand sich der verschüttete Zugang zu einem gemauerten Keller. So sehr ich auch überlegte, mir wollte nicht einfallen, wer diese Hütte einst bewohnte. Auf jeden Fall eine umsichtige Person, die allerhand nützliches Werkzeug gehortet hatte. Werkzeug, das ich dringend benötigte, um bis zum Einbruch des Winters eine neue Hütte zu bauen. Ich wählte die ungefähre Stelle, an der einst mein Elternhaus gestanden haben musste, und begann mit der Arbeit. Meine Aktivitäten wirkten wie ein Aufbruchsignal. Luke stand mir von Anfang an zur Seite und half nach besten Kräften. Krister benötigte ein paar Tage mehr, bevor auch er sich zum Weiterleben entschloss.
Anfangs stand eine Wand zwischen uns, als
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