Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
getötet, wenn sie Nein gesagt hätte.«
»Ich hätte es getan.«
Sayd schnalzte mit der Zunge. »Na, wer wird sich denn hier selbst belügen? Wir waren doch gerade so schön bei der Wahrheit.«
»Bei Ehrlichkeit«, korrigierte Gabriel ihn.
»Ist die eine nicht die Schwester der anderen?« Sayd zog herausfordernd die Augenbrauen hoch, worauf Gabriel nur ein leises Brummen von sich gab. Es war schwierig, Sayd zum Schweigen zu bringen oder zu verblüffen.
»Ich habe das Mädchen nicht überzeugen müssen, es hat aus freien Stücken beschlossen, sich uns anzuschließen.«
»Du hast ihr aber doch gesagt, dass sie ihr Leben verwirkt hat, wenn sie die Prüfung nicht besteht.«
»Dessen ist sie sich bewusst. Aber es ist ihr lieber, im Kampf zu sterben. Ihre Götter würden sie dann an einen Ort namens Walhall bringen.«
»Sie ist keine Christin?« Jetzt schlich sich doch ein leichter Anflug von Überraschung in Sayds Stimme.
»Nein, sie glaubt daran, dass Riesen die Welt geschaffen haben und dass ihre Göttin sie nach Walhall bringen wird. Ihr Schwert ist nach einem Wolf benannt, der einem Gott die Hand abgebissen hat.«
»Ich erinnere mich«, gab Sayd zurück. »Hast du schon versucht, mehr über ihren Kult herauszufinden?«
»Sie war gerade erst ein paar Tage bei mir, als du beschlossen hast, sie zu unserer neuen Auserwählten zu machen. Aber wenn du dich so für ihre Religion interessierst, warum fragst du sie dann nicht selbst?«
Sayd hob eine Augenbraue. »Glaubst du wirklich, sie würde es mir anvertrauen, nachdem ich sie angegriffen habe? Außerdem weißt du, dass ich als der Prüfende keine Beziehung zu ihr aufbauen darf.«
Gabriel nickte. »Wenn sie es schafft, dann wirst du eine Ewigkeit haben, alles Mögliche herauszufinden.« Damit griff er unter sein Gewand. »Du hast übrigens etwas in meinem Haus vergessen.«
Die spitze Nadel blitzte im letzten Lichtschein auf.
»Du hast sie belogen, was das Gift angeht. Ich habe keines daran gefunden.«
Sayd trat näher und nahm die Nadel an sich. »Ich hatte nicht vor sie zu töten. Sie ist das kostbarste Gut der Bruderschaft.«
»Hoffentlich erinnerst du dich auch daran, wenn sie dir in der Arena gegenübersteht.« Mit diesen Worten wandte sich Gabriel wieder dem Fenster zu.
Bitterkeit bohrte sich in seinen Magen, während er auf die Dünen vor der Feste blickte. Wieder hatte er vor Augen, wie Khadija gestorben war. Es tat ihm leid, dass Sayds Wahl auf Laurina gefallen war – auch wenn sie vielleicht die Richtige war.
Als er sich schließlich wieder umwandte, war Sayd verschwunden. Zu der Höflichkeit ihrer Bruderschaft gehörte auch, zu wissen, wann man unerwünscht war. Und dass man sich so diskret zurückzog wie ein Sandkorn, das vom Wind davongeweht wurde.
Den ganzen Abend saß ich gespannt auf einem der Stühle und blickte aus dem Fenster. Der Sonnenuntergang verwandelte den Sand in ein Meer aus Feuer. Mit der Dunkelheitkam die altbekannte Kühle zurück. Zitternd zog ich die Djellaba dichter um mich und schlang meine Arme um meine hochgezogenen Beine.
An Schlaf war heute nicht zu denken. Ich bezweifelte mittlerweile, dass die Zusammenkunft noch in dieser Nacht stattfinden würde, trotzdem zog ich es vor, mich bereitzuhalten. Schlafen würde ich ohnehin nicht können. Als es an meine Tür klopfte, zuckte ich dennoch überrascht zusammen. War es also schon so weit?
Kurz schielte ich nach meinem Schwert, das ich unter dem weiten Gewand sicher hätte verbergen können. Doch ich ließ es, wo es war, und trat dann nach draußen. Dort wartete Gabriel neben der gegenüberliegenden Tür. Seine Augen weiteten sich voller Erstaunen, als er sah, dass ich die Djellaba trug. »Was soll denn das? Ich habe dir doch gesagt, dass du das Gewand in der Truhe anziehen sollst.«
»Ja, das habe ich auch.«
»Und warum trägst du die Djellaba darüber?«
»Weil das Hemd durchsichtig ist.«
Gabriel legte den Kopf in den Nacken und lachte kurz auf.
»Seit wann bist du schamhaft? Als ich dich vom Strand aufgesammelt habe, warst du halb nackt. Und als du mir nach Sayds Besuch entgegengekommen bist, warst du es ganz.«
Meine Wangen begannen zu glühen. »Das heißt noch lange nicht, dass es mir gefällt!«
Dafür, dass Sayd mich bereits ganz nackt gesehen hatte, schämte ich mich im Nachhinein noch immer.
»Keiner der Männer, denen du nachher begegnen wirst, ist darauf aus, deine Tugend zu verletzen oder dich wie ein ausgehungerter Söldner anzustarren.
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