Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
deshalb ausgewählt, weil ich diesem Bild ähnelte?
Der Gedanke trieb mich vom Bett hoch, Erschöpfung hin oder her. Ich ging eine Weile auf und ab und spähte dabei aus dem Fenster. Von hier aus konnte ich einen der Wachtürme erkennen – und dahinter die Wüste.
Als Hufgetrappel ertönte, trat ich näher an einen der Fensterbögen heran und erkannte, dass ein Reiter auf den Hof galoppierte. Er sprang aus dem Sattel, überließ einem der Soldaten sein Pferd und eilte mit langen Schritten und wehenden Gewändern auf den Eingang des Turms zu.
Ich fragte mich, warum er es so eilig haben mochte. War es vielleicht ein Bote des Emirs? Da ich keine Antwort auf diese Frage erhalten würde und sich in den nächsten Augenblicken auch nichts Aufregendes ereignete, beschloss ich, nach den Kleidern zu suchen, die ich tragen sollte.
Zwei Truhen gab es in dem Raum. Da jene unter dem Fenster verschlossen war, wandte ich mich der neben der Tür zu. Ich erwartete, darin Männerkleider zu finden, stattdessen lag dort ein weißes Kleid, das unter der Brust mit einer weißen Kordel gegürtet werden konnte. Der Ausschnitt war recht weit, die Ärmel glockenförmig. Als ich es hochhob, bemerkte ich, dass der Stoff zwar wunderbar glänzte, aber auch sehr dünn war. So dünn, dass ich durch ihn immerhin die Umrisse der Spitzbogenfenster erkennen konnte.
War das vielleicht doch nur das Hemd? So intensiv ich auch nach einem anderen Gewand suchte, ich wurde nicht fündig. Offenbar sollte ich wirklich nur dieses dünne Etwas tragen!
Obwohl ich mich jahrelang ausschließlich unter Männern befunden hatte und mich zuweilen auch das Wasser von Kopf bis Fuß durchnässt hatte, regte sich nun dieSchamhaftigkeit in mir. Ich würde nicht nackt sein, aber den Blicken der fremden Männer so weit preisgegeben, dass sie mehr als nur die Konturen meines Körpers wahrnehmen konnten.
Davon hatte mir Gabriel nichts erzählt!
Ich wäre am liebsten rausgelaufen, um mich bei ihm zu beschweren, als mir einfiel, dass er mir nicht verraten hatte, hinter welcher Tür sein Quartier war. Ich fügte mich also, entkleidete und wusch mich, um anschließend in das seltsame Gewand zu schlüpfen. Nachdem ich jahrelang nur das Gefühl von Männerkleidern auf der Haut gekannt hatte, war ich erstaunt, wie leicht und glatt sich das Hemd an meinen Körper schmiegte.
Eine seltsame Erregung durchzog mich, die allerdings von meinem Unwohlsein verdrängt wurde, wenn ich daran dachte, dass wer weiß wie viele Männer mich nachher anstarren würden, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Während ich ein wenig ratlos durch den Raum blickte, auf der Suche nach einer Eingebung, fiel mein Blick plötzlich auf die staubige Djellaba. Diese würde kein Blick durchdringen können.
15
S ayd machte sich keine Mühe, leise zu sein.
Als er die Schritte seines Lehrmeisters vor der Tür vernahm, lachte Gabriel spöttisch auf. Er stand schon eine Weile am Fenster und blickte hinaus in die Abendsonne, die sich anschickte, in Schleiern aus Dunst und Staub zu versinken.
So hatte er auch gesehen, dass Sayd auf der Burg angekommen war. Er hatte Laurina nicht erzählt, dass er Sayds Anwesenheit bei ihrer Abreise gespürt hatte. Die ganze Zeit über war ihnen sein ehemaliger Lehrmeister durch die Wüste gefolgt. Wahrscheinlich wollte er sicherstellen, dass ich sie auch wirklich hierherbringe , ging es ihm durch den Sinn.
Das Kratzen an der Tür ertönte nur einen Atemzug später. Kein Assassine war so unhöflich, das Gemach eines anderen ohne dessen Erlaubnis zu betreten. Zu dieser Höflichkeit gehörte es auch, sich hören zu lassen.
»Komm herein!«, rief Gabriel, woraufhin sich die Tür öffnete. Als er sich umwandte, blickte er direkt in Sayds breites Lächeln.
»Wie schön, dich hier wiederzusehen, mein Freund«, sagte dieser und deutete eine Verbeugung an. »Wie mir zu Ohren gekommen ist, hast du das Mädchen überzeugen können.«
»Du meinst wohl eher, wie du mit eigenen Augen gesehen hast.«
Sayd schnaubte spöttisch. »Du warst noch nie ein Liebhaber von Verschleierungen, nicht wahr?«
»Nein, wenn ich mit meinen Freunden spreche, dann stets unverblümt und offen, das müsstest du mittlerweile wissen.«
»Und ich schätze es durchaus! Ehrlichkeit ist ein sehrseltenes Gut in diesen Zeiten, und da du mir schon diese Ehre erweist, will ich auch ehrlich zu dir sein. Ja, ich habe euch beobachtet. Um sicherzugehen, dass du keine Dummheiten machst. Du hättest sie ganz sicher nicht
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