Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
Auserwählte sein«, tönte da eine Stimme über meinen Kopf hinweg.
Als ich aufblickte, sah ich mich einem Mann gegenüber, dessen Kopf bis auf wenige Stoppeln kahl geschoren war. Wie die meisten anderen trug auch er einen Bart. Ich erinnerte mich nicht, ihn auf der Zusammenkunft in Gabriels Haus gesehen zu haben, aber wahrscheinlich war ich zu sehr durch Sayd abgelenkt gewesen.
Seine dunklen Augen musterten mich eisig. Weder der Tonfall seiner Stimme noch sein Gesichtsausdruck gefielen mir. Ich senke den Blick und schielte hinüber zu Gabriel, der vollkommen reglos neben mir saß. Seinen Ratschlag, ruhig zu bleiben, würde er wahrscheinlich nicht wiederholen.
»Dieses Kind soll also besser sein als jene, die ihr Leben bei der Prüfung der sieben Wunden gegeben haben? Ich wette, sie wird nicht mal zwei Schnitte anbringen, ehe sie getötet wird.«
Als ich den Blick des Mannes erneut erwiderte, bemerkte ich, wie seine Kiefermuskeln auf und ab hüpften und sich sein Körper spannte, als wollte er sich jeden Augenblick auf mich stürzen.
Wie sehr ich in diesem Augenblick bedauerte, dass ich mein Schwert in meinem Gemach hatte lassen müssen!
»Malik!«, donnerte eine Stimme über unsere Köpfe hinweg.
Eine unausgesprochene Warnung schwang in diesem einen Wort mit, die den Mann schließlich zurückweichen ließ. Ohne mich umzusehen, wusste ich, dass Malkuth den Raum betreten hatte. Maliks verächtlicher Blick ruhte noch eine Weile auf mir, dann wandte er sich ab und kniete sich auf eines der Kissen.
Mit Malkuth war auch Sayd in den Raum getreten. Während sich der Emir, wie nicht anders zu erwarten, auf dem goldenen Stuhl niederließ, kniete sich Sayd zur rechten Seite neben ihn.
Kurz hob ich meinen Blick zu ihm, doch als er ihn unverhohlen erwiderte, sah ich rasch zum Emir. Oder besser gesagt auf seine golddurchwirkten Pantoffeln. Als Einziger im Raum trug er kein Weiß, sondern schwarze Hosen und ein schwarz-rotes Gewand, das mit Goldbordüren gesäumt war. Mein Vater hätte sich gewiss über ihn lustig gemacht.
»Tritt vor, Laurina!«, sagte Malkuth, woraufhin ich mich erhob.
Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so schutzlos gefühlt wie in diesem Augenblick. Ich spürte die Blicke der Männer auf meinem Körper, dessen Konturen durch dasdünne Kleid preisgegeben wurden. Gabriel hatte recht, dieses Gewand war wirklich ein Sinnbild für die Verletzlichkeit des menschlichen Körpers.
Malkuth betrachtete mich einen Moment lang, ohne dass auch nur ein Gedanke von seinem Gesicht abzulesen gewesen wäre. Dann bedeutete er zwei Männern, dass sie zu mir treten sollten. Es handelte sich dabei um den Grünäugigen mit der Hakennase und einen blassen Krieger mit Lockenschopf.
»Ich werde dir jetzt Fragen stellen und du wirst sie mir wahrheitsgetreu beantworten«, fuhr Malkuth daraufhin fort. »Tust du es nicht, werden die beiden dich mit den Nadeln des Feuers strafen.«
Ich wollte schon fragen, woher sie wissen wollten, ob ich log, als Malkuth mir die Antwort gab. »Wenn ein Mensch lügt, schlägt sein Herz schneller. Die beiden Männer neben dir, Jared und David, haben die Gabe, Lügen zu erkennen. Wenn du nicht die Wahrheit sprichst, werden sie dir eine Nadel in den Arm stechen, die mit einem Gift behandelt wurde. Einem Gift, das dich nicht tötet, dir aber sehr große Schmerzen bereiten wird.«
Als ich zur Seite zu dem Grünauge blickte, sah ich die Nadel in seiner Hand funkeln. Er legte sie zwischen seine Finger, und zwar so, dass sie weder mich noch ihn verletzte, solange er die Hand ruhig hielt.
»Streck deine Arme aus!«, forderte Malkuth nun.
Ich tat wie geheißen und spürte dann die nadelbewehrten Hände um meine Handgelenke, direkt über den Adern an der Innenseite.
Ich atmete tief durch. Gabriel hatte gut reden, wenn er meinte, ich sollte ruhig bleiben. Welche Fragen würde mir Malkuth stellen?
»Wie ist dein Name, Mädchen?«, begann er scheinbar harmlos.
»Laurina Einarsdottir Skallagrimm.«
»Kennst du dein Alter?«
»In diesem Jahr bricht mein achtzehnter Sommer an.«
»Wessen Tochter bist du?«
»Die Tochter des Fürsten Einar Skallagrimm.«
»Und zu welchem Gott betest du?«
»Zu Freyja.«
»Welche Macht hat dieser Freyja?«
»Sie ist die Göttin der Fruchtbarkeit und die Anführerin der Walküren, die die Toten nach Walhall führen.«
Mich amüsierte, dass er Freyja für einen männlichen Gott gehalten hatte. Doch die Freude sollte mir gleich vergehen.
»Der Fruchtbarkeit?«
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