Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
Männer, die in die Bruderschaft aufgenommen werden sollen, tragen ebenfallsein dünnes Gewand. Es ist nur das Zeichen der Verletzlichkeit, die du ablegen wirst, sobald du zu uns gehörst.«
»Bekomme ich dann in nächster Zeit ein ordentliches Wams oder gar eine Rüstung?«
Gabriel lächelte. »Viel mehr als das! Versprich mir, dass du die Djellaba ausziehst, wenn wir den Raum betreten. Du willst doch Malkuth nicht erzürnen und von den Männern ausgelacht werden.«
Ich holte schon tief Luft für eine Erwiderung, merkte dann aber, dass er sich – zumindest was das Auslachen anging – nur einen Scherz mit mir erlaubte. Meine Empörung wurde zu einem Lächeln, als ich nickte.
Wir stiegen weitere Treppen hinauf, und je höher wir kamen, desto zahlreicher schienen die Fenster zu werden. Ein gespenstisches Heulen hüllte uns ein. Ich sagte mir, dass es vom Wind kam, doch mein Herz glaubte fest daran, dass es die Seelen der toten Krieger waren, die vom Geist des Kerkers getötet worden waren und den Weg in ihr Paradies nicht finden konnten.
Würde meine Seele auch eines Tages durch diesen Turm irren?
Nein, ich werde nicht versagen! Ich bin Einar Skallagrimms Tochter und stärker als alle anderen!
Schließlich war es so stürmisch, dass ich beinahe Angst hatte, von der Treppe geweht zu werden. »Wie hoch müssen wir denn noch?«, fragte ich keuchend, während ich nach Gabriels Arm griff. Meine Knie waren weich wie Butter.
»Ein Stück noch. Der Versammlungsraum liegt knapp unter der Turmspitze.«
»Und gibt es da noch mehr Fenster?«
»Sicher. Einem Mädchen, das einen großen Teil seines Lebens auf einem Schiff verbracht hat, dürfte der Wind doch kein Feind sein.«
Ich wollte gerade bemerken, dass es der Wind war, der das Meer so aufgewühlt hatte, dass die Freydis gekentert war. Doch dann fiel mir etwas ein, das ich unbedingt wissen wollte, bevor wir den Raum der Zusammenkunft betraten. »Mein Gemach ist das der Auserwählten, stimmt’s?«, fragte ich ihn, woraufhin er nickte.
»Ja, das ist es.«
»Und warum hast du das nicht gesagt, als du mir die Tür geöffnet hast?«
»Ich war sicher, dass du es herausfinden würdest«, feixte er.
»Und wann hatte dieses Gemach zuletzt eine Bewohnerin?«
»Vor ein paar Monaten. Sie hieß Khadija.« Gabriel brach ab.
Mich überkam eine Ahnung, was mit ihr passiert war.
»Sie hat die Prüfung nicht bestanden.«
Gabriels Kopfschütteln bestätigte meine Vermutung.
»Sie schaffte es bis zur sechsten Wunde. Die siebte war ihr Tod.«
Unbehaglich blickte ich an mir herab.
»Trage ich etwa …«
»Ihr Kleid? Ja, das ist das Gewand, das alle Mädchen tragen, die dem Emir vorgestellt werden. Gestorben ist Khadija in anderen Kleidern, falls dich das beruhigt.«
Ich dachte an die verschlossene Truhe. Lagen diese Kleider dort? Auf jeden Fall beruhigten mich diese Worte ganz und gar nicht. Ich trug das Kleid einer Toten. Vieler Toten. Am liebsten hätte ich mir diesen schamlosen Fetzen vom Leib gerissen.
»Und was ist mit dem Bild auf dem Baldachin? Die weiße Frau mit dem Kelch?«
»Das ist Ashala. Du musst wissen, dass sie schon in der Burg lebte, bevor Malkuth sie übernahm. Die beidenschlossen einen Pakt, wonach Malkuth ihr Geheimnis wahrte und Ashala ihm, wenn er es verlangte, die Unsterblichkeit verleihen würde.«
»Warum sollte ein so mächtiges Wesen einen Pakt mit einem Menschen eingehen?«
»Ashala verlangte es nach Gesellschaft. Die bekam sie durch Malkuth und seine Gefolgsleute. Malkuth erkannte recht bald, welche Chance sich ihm durch die Lamie bot, also stellte er sich gut mit ihr.«
»Dann hatte sie den Betthimmel in Auftrag gegeben?«
»Nein, das war Malkuth. Er wollte ihr schmeicheln.«
Folgerichtig war das Gemach nicht nur das der Auserwählten, sondern auch jenes von Ashala gewesen.
Meine Neugier war geweckt. »Du hast doch erzählt, dass Sayd das erste Kind der Lamie gewesen ist. War er da schon in den Diensten des Emirs? Und ist Malkuth nicht unsterblich?«
»Das ist er. Er war das zweite Kind Ashalas. Bevor sie ihm die Gabe verlieh, ließ er es Sayd ausprobieren. Sayd war damals gerade in seine Dienste getreten und Ashala hatte ihn ausgewählt. Als Sayd die Prozedur überlebte, nahm Malkuth die Gabe ebenfalls an.«
»Klingt nicht sehr tapfer, wenn er einen anderen hat vorgehen lassen.«
»Das solltest du ihm gegenüber besser nicht sagen. Niemals, hörst du?«
Ich nickte. »Wie ist sie zu Tode gekommen?«
»Das weiß wahrscheinlich
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