Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
fassungslos an. »Du weißt, dass das in Malkuths Ohren nach Verrat klingen könnte.«
»Dessen bin ich mir bewusst.« Gabriel sah mich eindringlich an. »Und ich vertraue darauf, dass du es ihm niemals offenbaren wirst.«
Das hatte ich in der Tat nicht vor, dennoch fragte ich: »Und was macht dich da so sicher?«
»Ich spüre es. Nicht einmal Sayd, der mein Lehrmeister war, würde ich dergleichen erzählen. Aber dich habe ich vor dem Tod gerettet und du bist meine Adeptin, also vertraue ich dir. Außerdem stammst du aus einem Land, das mit all den Konflikten zwischen Christen und Muslimen nichts zu tun hat. Daher hoffe ich, dass du mich besser verstehst.«
Ich nickte, denn ich verstand ihn in der Tat.
»Aber jetzt solltest du dich ein wenig ausruhen. Morgen werden wir recht früh auf die Beine kommen müssen. Sayd befindet sich sicher schon in der Stadt, er wird die ganze Nacht mit Meditation verbringen. Wir sollten also gerüstet sein – und vor allem ausgeruht, damit wir überhaupt mitbekommen, was er tut.«
Nach einer unruhigen Nacht weckte mich in den frühen Morgenstunden der Ruf der Muezzins. Ihre Stimmen hallten so laut durch die leeren Straßen, dass ich glauben konnte, einer dieser Ausrufer stünde neben mir. Erschrocken fuhr ich hoch und tastete nach meinem Schwert, bis mir klar wurde, dass ich in der Herberge war und sich außer Gabriel niemand sonst in unserer Kammer befand.
Aufatmend ließ ich mich wieder auf die Matte sinken und blickte zum Fenster hinaus. Die Sonne schob sich gerade über den Horizont und ließ die Häuser wie einen der Scherenschnitte wirken, die ich in Jareds Haus gesehen hatte. Nur die Spitzen der Minarette wurden vom roten Licht erreicht und wirkten, als würden sie glühen.
Während ich eine Schar Vögel beobachtete, die um die Türme kreiste und sich dann in die Tiefe stürzte, vernahm ich von unten Lärm. Offenbar wollten sich die Gläubigen, die dieses Haus bewohnten, auf den Weg zur Moscheemachen. Ich hörte ihre Stimmen und fragte mich, was sie sich wohl erzählten. Sprachen sie wie unsere Männer über Frauen, ihre Kriegszüge und ihren Besitz? Unterhielten sie sich über ihren Gott? Tratschten sie über die Nachbarn?
Wahrscheinlich traf alles gleichermaßen zu. Warum sollten die Menschen in einem anderen Land auch anders sein?
»Wenn du schon wach bist, kannst du auch aufstehen«, riss mich Gabriels Stimme aus meinen Gedanken fort. Als ich zu seinem Lager hinüberblickte, sah ich, dass es verlassen war. Obwohl ich wach war und nicht weit von ihm entfernt lag, hatte ich nicht gehört, wie er aufgestanden war.
»Wo bist du?«, fragte ich, während ich mich nach ihm umsah, ohne ihn zunächst ausmachen zu können. Als er sich schließlich bewegte, fand ich ihn in einer verschatteten Ecke der Kammer.
»Wie hast du das gemacht?«
»Es ist eine der wichtigsten Fähigkeiten eines Assassinen, eins zu werden mit den Schatten. Sie sind unsere treuesten Verbündeten.«
»Und wie kannst du dich bewegen, dass dich niemand hört?«
»Übungssache. Ich habe einige Zeit dafür gebraucht, aber wenn die Gabe sich erst einmal in dir entfaltet hat, fallen dir viele Dinge leichter, die dir früher unmöglich erschienen waren.«
Damit erhob er sich und kam auf mich zu. Weder konnte ich Schritte noch ein Rascheln seiner Kleider hören. Er bewegte sich so elegant wie eine Katze, die sich an eine Beute heranpirscht.
»Schade nur, dass ich die Gabe nicht vor dem Kampf erhalte«, bemerkte ich niedergeschlagen.
»Ein Geschenk wie dieses hat nicht umsonst seinen Preis. Aber bis zu deiner Prüfung ist es noch lange hin. Jetzt wollenwir erst einmal dem Meister der Assassinen bei der Arbeit zusehen.«
Er streckte mir die Hand entgegen und zog mich dann auf die Füße.
Dann strebte er dem Fenster zu.
»Wir können auch die Tür benutzen«, bemerkte ich, denn ich ahnte, was er vorhatte. Doch Gabriel schüttelte den Kopf.
»Warum sollten wir das tun? Ich habe nicht vor, mit dir auf der Straße herumzulaufen, als würde ich einen Spaziergang machen. Wir benutzen die Straßen der Diebe und Assassinen – die Wege über die Dächer einer Stadt.«
Mit diesen Worten stieg er aus dem Fenster. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Auf der Straße rollte ein Eselskarren vorbei, als ich mich so, wie es Gabriel vormachte, an einem Mauervorsprung hinaufzog. Der Mann, der auf dem Karren vor sich hin döste, nahm keine Notiz davon. Auf dem Dach der Herberge angekommen erkannte ich,
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