Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
Gläubigen übersehen. Sayd hatte die Kapuze über sein Haar gezogen, die auch die Augen verdeckte. Das Einzige, was man zu sehen bekam, war ein Bart, wie ihn viele Männer in der Stadt trugen. Eine Waffe konnte ich an seinem Körper nicht erkennen, aber das hatte ich auch nicht anders erwartet.
Er wirkte nicht so, als würde er nach jemand Besonderem Ausschau halten. An die Wand gelehnt zupfte er seineÄrmel zurecht und verschränkte die Arme dann vor dem Körper.
»Und wo ist das Opfer?«, fragte ich Gabriel, der mir sogleich bedeutete, leise zu sein.
»Sayd wird es uns zeigen. Da er noch ruhig hiersteht, ist es noch nicht in Sichtweite.«
Einen Moment noch warteten wir, dann sah ich, wie Sayd sich von der Wand löste. Scheinbar unbeteiligt mischte er sich unter die Passanten, wo er nur sehr schwer auszumachen war. Er ging ein Stück Richtung Tor, dann machte er plötzlich halt.
»Das muss er sein«, sagte Gabriel leise, während er auf ein paar Reiter deutete. Ein Mann in farbigen Kleidern wurde von ein paar schwer gepanzerten Soldaten eskortiert.
Wie wollte Sayd sein Opfer töten?
Als die Reiter beinahe auf seiner Höhe waren, senkte er den Kopf und ging los. Er wirkte dabei wie ein Träumer, der die Welt um sich herum vergessen hatte. Als die Reiter bemerkten, dass er ihnen in die Quere kam, stießen sie laute Rufe aus, doch er ließ sich nicht weiter beirren.
Der erste Reiter zog nun seine Zügel an, sodass der Mann in der Mitte einen Moment lang ungedeckt war.
Sayd, der immer noch so tat, als sei er taub, prallte seitlich gegen das Pferd des Gesandten, blickte kurz auf und trat dann zurück. Die Wachen schimpften auf ihn ein, woraufhin er sich mit Gesten entschuldigte und dann zurückwich. In meinen Augen hatte es so ausgesehen, als hätte er nicht erreicht, was er wollte.
»Warum hat er die Gelegenheit verstreichen lassen und nicht zugestochen?«, flüsterte ich Gabriel zu.
»Oh, das hat er«, entgegnete mein Lehrmeister hintergründig lächelnd. »Warte noch einen Moment.«
Die Reiter zogen nun weiter und nichts schien sichverändert zu haben. Ich bemerkte, dass Sayd zu einem der am Straßenrand lungernden Bettler ging und ihm ein Lederbeutelchen zuwarf. Der alte Mann bedankte sich gestenreich, doch das bekam Sayd nicht mit. Den Kopf hoch erhoben strebte er an ihm vorbei, sein Mantel strich kurz über dessen Beine, neben denen eine Krücke lag, dann tauchte Sayd auch schon wieder in die Menschenmenge ein.
»Das Geld, das sich in dem Beutel befindet, nennen wir Blutzoll«, erklärte Gabriel. »Für jeden Mord erhält ein Assassine von Malkuth eine Geldsumme, über die er frei verfügen kann.«
»Und Sayd spendet sie einem Bettler?«
»Ja, das tut er immer. Er hat keine Reichtümer nötig.«
Ich dachte einen Moment lang darüber nach, dann schoss mir plötzlich etwas durch den Sinn. Bevor ich allerdings fragen konnte, ob meine Kleider ebenfalls mit dem Blutzoll bezahlt worden waren – Sayds Lederbeutel erinnerte ein wenig an jenen Gabriels, aus dem er den Händler bezahlt hatte –, ertönte unter uns plötzlich ein Schrei.
Leute stoben auseinander und die Wachen stießen warnende Rufe aus. Ein Hund fing an laut zu kläffen. Trotz des Gewühls, das nun entstand, erkannte ich, dass der bunt gekleidete Reiter aus dem Sattel gestürzt war. Ein Pferd scheute und konnte von einem Passanten nur mühevoll davon abgehalten werden, zu steigen und mit seinen Hufen jemanden zu verletzen.
Ich war sprachlos. Ein scheinbar harmloser Moment hatte Sayd gereicht. »Wie hat er das gemacht?«, fragte ich atemlos. »Ich habe nicht gesehen, dass er die Hände bewegt hätte.«
»Das brauchte er auch nicht«, gab Gabriel zurück. »Wahrscheinlich hat er die Nadel so zwischen den Fingern gehalten, dass nur ein kleines Stück Spitze zwischen ihnen hervorgeschaut hat. Beim Aufprall auf den Reiter hat er seinenrechten Arm verdeckt, also können wir davon ausgehen, dass das die Waffenhand war. Wenn seine Nadeln vergiftet sind, reicht ein winziger Stich, um einen Menschen zu töten. Der Gesandte hatte den Schmerz wahrscheinlich gar nicht gespürt.«
Noch immer herrschte Tumult unter uns. Die Wachen bemühten sich um ihren Herrn, doch der rührte sich jetzt nicht mehr. Als zwei von ihnen schließlich auf die Idee kamen, nach dem Tauben im weißen Gewand zu suchen, war Sayd schon verschwunden.
»Sicherlich hat er sich bereits seines Mantels entledigt und ist dann in einer der Seitenstraßen verschwunden. Solange er so
Weitere Kostenlose Bücher