Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
mir die Höhe keine Angst. Oben angekommen löste ich den Haken und ließ ihn fallen. Gabriel winkte mir noch einmal zu, und nachdem er das Seil wieder unter dem Steinhaufen versteckt hatte, schwang er sich auf Alkadir, griff meinen Schimmel bei den Zügeln und ritt davon.
Ich stand nun allein auf der Mauer, umweht vom eisigen Wind der Wüste, der Tautropfen auf meine Haut legte. Aus der Ferne konnte ich leise Stimmen vernehmen, wahrscheinlich die Torwächter, deren Aufgabe es war, die Nacht über wach zu bleiben und die Bewohner der Stadt vor heranrückender Gefahr zu warnen.
Ich war zwar keine Bedrohung für Alexandria, dennoch wollte ich den Wachposten nicht unter die Augen kommen. Es dauerte eine Weile, bis ich ein an die Mauer grenzendes Haus gefunden hatte, das hoch genug war, um auf sein Dach zu springen. Von dort aus lief ich in die Richtung, in der ich Jareds Haus vermutete. Ich sprang von hohen Dächern auf tiefe, erklomm von kleinen Häusern aus große und fragte mich, ob die Bewohner wohl aus dem Schlaf geschreckt wurden, wenn ich über ihr Haus hinweglief. Einmal begannen ein paar Hunde zu bellen, doch ich war fort, ehe mich irgendwer sehen konnte.
Schließlich gelangte ich in das Schreiberviertel der Stadt. Ich kletterte von einem der niedrigeren Häuser hinunter und machte mich auf die Suche. Als ich Jareds Haus fand, waren sämtliche Fensterläden und die Tür noch verschlossen. Da ich ihn nicht wecken wollte, setzte ich mich kurzerhand vor die Tür und blickte hinauf zum Himmel, dessen Nachtblau allmählich verblasste.
Nachdem ich wochenlang nur kämpfen geübt hatte, wardas Erlernen einer neuen Sprache eine willkommene Abwechslung, wenngleich ich nicht behaupten konnte, dass mir Jared geheuer war. Etwas Dunkles ging von ihm aus, und nur die Tatsache, dass er Gabriels Freund war, ließ mich einen Funken Vertrauen zu ihm fassen.
Plötzlich öffnete sich hinter mir die Tür. Als ich mich umsah, sprang ich zunächst erschrocken auf, denn Jared stand mit einem hoch erhobenen Krummsäbel hinter mir.
»Du bist es«, sagte er schließlich und ließ die Waffe sinken. »Ich dachte schon, dass sich Diebesgesindel herangeschlichen hätte. Wo ist Gabriel?«
»Wieder zurückgeritten«, antwortete ich, während mein Herz immer noch vor Schreck raste. »Er meinte, dass ich zwei Tage bei dir bleiben sollte.«
Jared nickte, dann bedeutete er mir mit einer Kopfbewegung hineinzukommen. Wie ich sehen konnte, hatte Jared nicht mehr geschlafen, sondern die morgendliche Stille genutzt, um Dokumente zu studieren und zu schreiben.
»Such dir irgendeinen Platz, aber fass nichts an!«, sagte er und verschwand hinter einem Vorhang.
Ich fragte mich, wo ich mich wohl niederlassen sollte. Außer dem Platz hinter dem kleinen Schreibpult gab es keine Sitzgelegenheit. Dafür aber Kisten, Truhen und riesige runde Gebilde, die aussahen, als seien sie einst die Panzer irgendwelcher Tiere gewesen.
Auf diese wagte ich mich nicht zu setzen, also ließ ich mich auf den Boden nieder. Eigentlich hätte ich ja warten sollen, bis Jared wieder zurückkehrte, doch der Schlaf übermannte mich in Windeseile, sodass ich gegen die Wand sank und mir die fehlenden Stunden der Ruhe zurückholte.
Als die Muezzins zum Gebet riefen, schreckte ich hoch.
»Ausgeschlafen?«, fragte mich Jared spöttisch, während erdie Feder, mit der er gerade geschrieben hatte, aus der Hand legte und etwas Sand auf das Pergament streute.
»Wie lange habe ich geschlafen?«, fragte ich benommen, während ich mir die Augen rieb.
»Drei Stunden. Dadurch hatte ich immerhin Zeit, meine Arbeit fortzusetzen.«
Als ich mich erhob, sah ich, dass er damit beschäftigt gewesen war, eine Schriftrolle zu kopieren. Der Sand, den er über das Papier gestreut hatte, diente offenbar dazu, die Tinte zu trocknen. Nachdem er die Dokumente sorgfältig zusammengerollt hatte, führte mich Jared in sein Hinterzimmer. All der Kram im vorderen Raum war nichts gegen das, was sich mir nun offenbarte.
Der Grünäugige fand nicht nur Gefallen an toten Dingen, er hatte auch einige lebendige in seinem Haus. Ich erblickte kleine Käfige, in denen Skorpione und merkwürdige große Käfer saßen, deren Flügel metallisch schimmerten. Außerdem hatte er einen Wasserbottich, dessen Tiefen zu trüb waren, um zu erkennen, was sich darin befand. Aber an den kleinen Wellen, die das Wasser von Zeit zu Zeit bewegten, erkannte ich, dass sich darin ein Tier befinden musste. Wahrscheinlich Fische, oder
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