Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
seiner Verwandlung hatte sich Sayd gefragt, was über die Jahrhunderte mit ihm geschehen sollte. Ashala hatte zweitausend Jahre gelebt und bei ihrem Tod nicht älter als zwanzig ausgesehen. Was mochte in zweitausend Jahren geschehen? Würden sich die Menschen in ewigen Kriegen gegenseitig vernichtet haben oder zur Vernunft gekommen sein? Welche Reiche würde es geben, welche Götter würde man anbeten?
Die Mitglieder der Bruderschaft hatten die Möglichkeit, das herauszufinden. Doch sollten wir nicht etwas Sinnvolles tun? , fragte sich Sayd. Sollen wir unsere Gabe wirklich nur in den Dienst Malkuths stellen, oder sollten wir nicht lieber versuchen die Geschicke der Menschheit zu bestimmen, auf dass sie friedlich miteinander lebten und kein Blut mehr im Namen eines Gottes fließen musste? Während diese Frage ihn beschäftigte, blickte er hinunter zum Heerlager Saladins. Würde es reichen, einen Sultan zu töten, um den Krieg zu beenden? Was würde geschehen, wenn Saladin und sein Sohn wirklich starben? Würde dann nicht der nächste machthungrige Herrscher zur Stelle sein? Malkuth, der alles nur noch schlimmer machte.
Als er merkte, dass seine Gedanken ins Verräterische abdrifteten, schob er sie rasch beiseite. Er würde seinen Auftrag ausführen, dann zurückkehren und weiterhin ein Auge auf Laurina haben. Von ihr hing alles Weitere ab.
Nachdem er weitere Stunden vor dem Zelt verharrt hatte, trat am Morgen David vor ihn. »Das Lager erwacht allmählich. Ich spüre die Gedanken der Soldaten.«
Sayd öffnete träge die Augen. Nach durchwachten Nächten fühlte er sich nicht müde wie andere Menschen, bloß seine Sinne arbeiteten etwas langsamer. »Ist gut.« Er erhob sich und trat dann zu den Männern, die mittlerweile ihre Zelte verlassen hatten.
»Soll sich schon mal jemand an die Lagerwachen heranschleichen und ihnen die Uniformen abnehmen?«, fragte Ashar, doch Sayd schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Ich werde erst einmal herausfinden, in welchem Zelt Saladin zu finden ist.«
Weder Hakim noch Malik wirkten begeistert. Sie hätten Saladin am liebsten gleich die Kehle durchgeschnitten.Doch sie wagten nicht, den Beschluss ihres Anführers infrage zu stellen.
»Ihr wartet hier, und wenn sich jemand dem Versteck nähert, tötet ihn unauffällig.« Als die Männer nickten, wandte Sayd sich um und strebte Saladins Heerplatz zu.
Es war nicht das erste Mal, dass er sich in ein feindliches Lager einschlich. Viele Jahre zuvor hatte er es schon einmal getan. Bereits damals hatten die Muslime und die Christen um das Heilige Land gestritten. Sein Auftrag war damals zwar weniger anspruchsvoll gewesen, doch er hatte nie vergessen, in welche Erregung es ihn versetzt hatte, sich unter die Feinde zu mischen, ohne dass sie etwas von seiner Anwesenheit bemerkten.
Da er in seiner jetzigen Kleidung auffallen würde, musste er sich natürlich etwas Passenderes beschaffen. Während er sich im Buschwerk hielt, beobachtete er einen Wächter, der sich von den anderen absonderte. Wahrscheinlich, um sich zu erleichtern.
Da der Mann, offenbar ein Perser, ähnlich groß war wie er selbst, beschloss Sayd, sich ihm zu nähern. Er versuchte einzuschätzen, wie lange er zu seinem Opfer brauchen würde. Dann eilte er los.
Der Mann, der gedankenverloren auf das Rinnsal blickte, das zwischen seinen Füßen durch den Sand lief, spürte nur einen Luftzug hinter sich und hielt diesen wahrscheinlich für den Wind, der über das Hügelland strich. Wenig später jedoch bohrte sich eine Klinge genau durch die Stelle, an der sich seine Stimmbänder befanden. Weder ein Schrei noch ein Gurgeln entrang sich seiner Kehle.
Während Sayd den Mann hielt, dessen Körper sich heftig gegen das Blut wehrte, das ihm in die Lungen lief, blickte er sich um. Die Kameraden des Mannes schien seine Abwesenheit nicht zu kümmern. Dennoch wollte Sayd esvermeiden, ihnen unter die Augen zu kommen. In der Menge der Kämpfer würde er nicht auffallen, wohl aber, wenn er zu den anderen Wächtern zurückkehrte.
Als die Zuckungen des Sterbenden endlich nachgelassen hatten, schleifte er ihn hinter einen der Felsen, die hier zu Dutzenden aus dem Boden ragten. Dann begann er ihn aus seiner Uniform zu schälen. Ein paar Blutstropfen waren auf die Kleidung des Toten gefallen, doch die würde er unter seinem Mantel verbergen können.
Sayd empfand den Geruch des Soldaten als widerlich, doch er wusste, dass er unter den anderen damit nicht auffallen würde. Rasch entledigte er
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